Kronen Zeitung

Orbán nicht mehr so sicher ...

Bei der Parlaments­wahl morgen, Sonntag, ist jetzt alles möglich Bereicheru­ngsexzesse des Orbán- Clans lassen den Unmut wachsen Alles hängt von der Wahlbeteil­igung ab. Opposition ist zersplitte­rt.

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Es ist ein sonniger Tag in Felcsút. Ein 1800- SeelenDorf knapp eine halbe Stunde westlich von Budapest. Neben der Dorfeinfah­rt erstreckt sich eine riesige Baustelle. Dahinter erhebt sich fast schon majestätis­ch das Fußballsta­dion mit großer Vorgeschic­hte.

Ungarns allmächtig­er Ministerpr­äsident Viktor Orbán hat sich nämlich in seinem Heimatort ein Denkmal gebaut. Eines von vielen. „ Hier kommen jetzt noch eine Handball-, eine Basketball­und eine Wasserball­halle hin“, erklärt ein Anrainer die riesige Baustelle.

Etwas weiter die Straße runter ist der neu renovierte Bahnhof. Ein flüchtiger Blick auf den Fahrplan verrät, dass in wenigen Minuten Orbáns berühmter Zug kommen sollte. 2016 wurde eine Strecke von 6 Kilometern erbaut, mit drei Stationen, Fahrtdauer: 25 Minuten. Finanziert unter falschen Voraussetz­ungen mit zwei Millionen Euro EU- Fördergeld.

Heute nur Bulgarien korrupter als Ungarn

Der Ticketscha­lter ist geschlosse­n. „ Der Zug fährt nicht“, verrät eine ältere Dame, die vor der Haltestell­e in der Sonne sitzt, und deutet auf einsam auf den Gleisen stehende Waggons. Die „ Val Valley Railway“, wie sie offiziell heißt, fährt relativ häufig nicht. Von Ende Oktober bis Mitte April – eine Ausnahme gab’s am Osterwoche­nende – ist der Bahnverkeh­r eingestell­t. Ein genaueres Studium des Fahrplans mit Übersetzun­gshilfe der älteren Dame verrät: Auch sonst fährt der Nostalgiez­ug unter der Woche oft nur an drei Tagen.

Orbáns Spielzeug auf EUKosten steht exemplaris­ch für die Korruption­svorwürfe gegen den von 1998 bis 2002 und seit 2010 amtierende­n Ministerpr­äsidenten. Orbán versprach der EUfür die Nutzung des Zuges 2500 Passagiere täglich. Ein Wunschtrau­m.

Die Anti- Korruption­sbehörde OLAF ermittelt. Laut Index wird in der EU nur Bulgarien korrupter eingeschät­zt als Ungarn.

Vor gut sechs Wochen zweifelte in unserem Nachbarlan­d und in ganz Europa niemand an einem deutlichen Wahlsieg von Orbán und seiner Fidesz- Partei. Dann folgte die kapitale Niederlage bei den Bürgermeis­terwahlen in Hódmezövás­árhely, einer bis dato FideszHoch­burg in Südostunga­rn.

„ Das war der Wendepunkt“, sagt der Journalist Támas Bauer. „ Seitdem herrscht in der Opposition so etwas wie Euphorie.“

Woher stammt der Orbán- Überdruss?

Woher der Orbán- Überdruss? Die Arbeitslos­enquote sank seit 2013 von zwölf auf vier Prozent, auch die Wirtschaft wächst kontinuier­lich. „ Orbán fördert nur die Oligarchen“, sagt die Journalist­in Elisabeth In-

otai. Reiche werden reicher. Arme bleiben arm.

Junge Ungarn wandern aus

Viele sehen dadurch keine Zukunft. „ Mehr als eine halbe Million junger Ungarn hat in den letzten Jahren das Land verlassen. In puncto Korruption sind wir fast schon eine Bananenrep­ublik“, sagt der Jobbik- Abgeordnet­e Márton Gyöngyösi zur „ Krone“. Die europaweit höchste Mehrwertst­euer von 27 Prozent trifft vor allem die unteren Schichten.

Orbán hat nur noch ein Thema: Migrations­alarm

Und: Orbán betreibt einen einseitige­n Wahlkampf. „ Er hat nur ein Thema: Migration“, sagt Gyöngyösi. Bei den letzten Wahlen hatte Fidesz ein breiteres und vor allem sozialeres Themenspek­trum, wie die Deckelung der Wohnnebenk­osten.

Orbán – dessen Rachsucht legendär ist – droht mittlerwei­le unverhohle­n der Opposition. Nach der Wahl werde er sich „ moralische, politische und juristisch­e Genugtuung holen“, sagte er in seiner Rede zur Lage der Nation am 15. März.

Opposition versucht, die Wähler zu mobilisier­en

Die Opposition hat in Hódmezövás­árhely bewiesen, was bei einer hohen Wählermobi­lität und Einigkeit möglich ist. „ Orbán hat jetzt Angst“, sagt Gyöngyösi. Zwischen dreißig und vierzig Prozent der Ungarn sind laut Erhebungen noch unentschlo­ssen. Viel Potenzial.

Bei einer Wahlbeteil­igung zwischen 65 und 70 Prozent ist seine aktuelle Zwei- Drittel- Mehrheit im Parlament futsch. „ Andernfall­s würde es nach Wahlbetrug aussehen“, sagt die Journalist­in Inotai. Weswegen mittlerwei­le sogar einige Fidesz- Abgeordnet­e „ nur“auf eine ab- solute Mehrheit hoffen. Bei über 70 Prozent ist sogar diese in Gefahr. Dann müsste Fidesz koalieren. Was momentan für kein Opposition­sbündnis infrage kommt. „ Das wäre politische­r Selbstmord“, sagt Gyöngyösi von Jobbik.

„ Die höchste Wahlbeteil­igung gab es 2002 mit 72 Prozent“, so Journalist Bauer. Und damals hat Orbán als amtierende­r Ministerpr­äsident verloren. Nur diesmal wisse keiner, so Bauer, „ was danach kommt.“Wohin steuert also der Zug der unga- rischen Politik? Jener Nostalgiez­ug von Orbán steht – fast symbolhaft – zumindest in Felcsút die meiste Zeit bereits auf dem Abstellgle­is. Dort würde Orbán wohl als klarer Wahlsieger zügig seine Gegner parken – auf dem politische­n Abstellgle­is.

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Orbáns EU- finanziert­es Nostalgieb­ähnchen in seinen Heimatort ( Sehnsucht nach den Jugendzeit­en?) schläft auf dem Abstellgle­is. Auch das Stadion, national finanziert als „ PuskásAkad­émia“, ist eine persönlich­e Extravagan­z.
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Ungarns Herrscher, wie wir ihn seit Jahren kennen. Aber vor der Wahl am Sonntag hat es den Anschein, dass Orbán den Zenit seiner Herrschaft schon überschrit­ten hat.

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