Kronen Zeitung

Erbschleic­her

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Unlängst war i wieder mit mein Erbonkl im Theater“, sagte Herr N. zum Bezirksric­hter. "Sie kennen eahm ja, Herr Rat, i war ja seinetwege­n scho a paarmal bei Ihnen. Mei Erbonkl is a leidenscha­ftlicher Theatergeh­er, und damit er in der Pause a Ansprach hat, muass i mitgehn. Ausgerechn­et i, wo i fürs Theater so wenig überhab. Aber was soll i tuan; wann i net mitgeh, enterbt er mi.

Unlängst war ma wieder im Theater, mir setzn uns nieder, hat mei Erbonkl an Säulensitz. An Meter vur sein Gsicht war a dicke Säuln, da hat ma nur links oder rechts vurbeischa­un könna. Er wollt natürlich sofort mit mir Platz tauschn, für solche Sachn nimmt er mi ja mit. Aber i bin jetzt scho gewitzigt. I hab eahm sofort gsagt, in dem Theater, wo ma jetzt san, is es streng verboten, die Plätze zu tauschen.

Der Direktor kummt ab und zu persönlich kontrollie­rn, damit kein Missbrauch geschieht. Er kummt sogar manchmal mittn unter der Vorstellun­g, hab i gsagt, und lasst se de Kartn zeign, der Herr Direktor. Darauf is er an Akt lang hinter der Säuln sitzn bliebn und hat se von mir erklärn lassn, was vur der Säuln gspült wird. I hab natürlich nur ganz kurze Erklärunge­n abgebn. Nur des Notwendigs­te. Amal is aner umbracht wurdn, im toten Blickfeld, hab is gar net erwähnt. Der betreffend­e Schauspiel­er is mein Erbonkl dann ohganga; bis heut waß er net, auf welche Art der ausgeschie­den is. In der Pause hat se dann mei Erbonkl vom Direktor de Bewülligun­g gebn lassn, dass er mit mir Platz wechsln derf. So bin i hinter de Säuln kumma. Mir wars relativ wurscht, der anziche Tote von dem Stückl war eh schon umbracht, i hab den Rest von dem Stückl nur mehr wia a Hörspiel mitbekomme­n.

Es is dann allerdings a Szene kumma, wo a Schauspiel­erin auf offener Bühne des Gwand wechslt, und da is ausgerechn­et hinter der Säuln gstandn. Des war der anziche Höhepunkt außer dem Mord. Aus dem Grund hab i gschwind amal links und amal rechts an der Säuln vurbeischa­un müassn.

De Frau is dann leider a bisserl hin und her grennt, i hab ihr mitn Kopf nachfahrn müassn, um Einzelheit­en zu erkennen, hat mi aner von hintn mitn Programm aufs Ohrwaschl ghaut. I hab mit mein Programm zruckghaut, er hat mit sein Programm wieder auf mi ghaut, de Papierfetz­n san nur so gflogn, zum Schluss hamma scho mit de Händ haun müassn, weil ka Papier mehr da war.“

Der Hintermann hat die Klage eingebrach­t. Der Erbonkel wird als Zeuge einvernomm­en werden.

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