Da geht die Bobo- Welt flöten
Josefstadt: Yasmina Reza, „ Der Gott des Gemetzels“, Fischer
Yasmina Reza zählt – seit ihrem Mega- Erfolg „ Kunst“– zu den Größten im Theatergeschäft. Auch ihr 2006 uraufgeführtes Stück „ Der Gott des Gemetzels“ist landauf, landab zu sehen. In prominenter Besetzung, mit Kate Winslet & Christoph Waltz, wurde der Stoff verfilmt. Die Josefstadt zeigt den 90minüter nun in Torsten Fischers Regie.
Und wie erwartet, kudert das Publikum dazu.
Zwei Buben raufen, einer schlägt dem anderen zwei Zähne aus. Gesittet wollen die Eltern das Thema disku- tieren: Die „ Kunst des zivilisierten Umgangs“ist gefragt. Doch in der sanften Bobo- Welt ist der Lack bald ab und die Zivilisation dahin. Gräben brechen auf, Charaktertiefen zeigen sich ungeniert. Unkorrekt wird zum Hauptwort. Die BoboWelt geht flöten.
Reza enttarnt die vermeintliche Werte- Gesellschaft und zeigt, wie dünn die Schicht des gespielten Wohlmeinens und Verständnisses ist. Der Abend birgt eine Chance: jene des unverblümten Aufzeigens. Aber auch die Gefahr: dass sich das begeistert glucksende Publikum an allerlei üblem Unkorrekten über alle Maße delektiert. Und eben nicht über Werte- Fassaden nachdenkt. Denn eine Komödie um jeden Preis ist das Stück nicht!
Regisseur Torsten Fischer hat kräftig in das zwischenmenschliche Kampfpotenzial hineingegriffen. Alles liegt vom ersten Moment an offen: die Schwächen, die Defizite, die Hinterhältigkeit und Gemeinheit. Und man weiß, wohin die Reise geht. Die Figuren sind zugespitzt, wenn auch ohne Überraschungen.
Michael Dangl gelingt eine gekonnt boshafte Darstellung des Anwalt- Hais Alain Reille. Auch die anderen erfüllen punktgenau die Typen: Judith Rosmair als Véronique, Marcus Bluhm als Michel, Susa Meyer als Annette . . . Sie zeichnen Neurosen und Aggressionen nach. Überall!
Das Raffinierte an dem Stück: Es ist keine Boulevardkomödie, aber auch kein Problemstück. Sondern ein Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Bissigkeit und dem Absturz ins reine Lachtheater.