Kronen Zeitung

Ein verfrühter Rücktritt?

- Christian Stafflinge­r, Linz

Was ist denn bitte in unserer heimischen Politlands­chaft los? Zwei Jahre nach Faymann. Ein Jahr nach Mitterlehn­er. Und nur ein knappes Jahr nach Glawischni­g nimmt der nächste Parteichef seinen Hut, und er heißt völlig überrasche­nd nicht Christian Kern? Der wäre nämlich vermutlich für die meisten im Lande alles andere als überrasche­nd gekommen, weil eigentlich viel zu naheliegen­d und nachvollzi­ehbar. Aber doch nicht NEOS- Chef Matthias Strolz. Zumindest nicht schon jetzt, oder? Doch!

Wahrschein­lich haben es schon wieder zu viele vergessen oder verdrängt. Matthias Strolz hat bei fast jeder Gelegenhei­t immer wieder betont, dass er kein Sesselkleb­er ist und mit Sicherheit nicht als Politiker in Pension gehen wird. Als Parteichef der pinken Bewegung steht er maximal zwei Nationalra­tswahlen bzw. höchstens zehn Jahre zur Verfügung. Spätestens dann ist es Zeit, Platz zu machen und zu gehen. Irgendwie fast erfrischen­d, ein Politiker von jener Sorte, die man noch beim Wort nehmen kann.

Gefühlt ist der jetzige Zeitpunkt, zu dem er seinen Rückzug und einen geordneten Übergang verlautet hat, trotzdem zu früh. Und das nicht nur wegen des eindeutig we- sentlich mehr nervenden Christian Kern, der als SPÖ- Chef unerklärli­cherweise immer noch da ist und sich als unbegreifl­icher und meist ungehobelt­er Sesselkleb­er mit Superklebe­r präsentier­t. Natürlich hat Matthias Strolz auch phasenweis­e genervt. Natürlich ist er auch manchmal über das Ziel hinausgesc­hossen. Und ja, der eigene Anspruch und der für die eigene Bewegung hatten meist nicht allzu viel mit Realismus zu tun.

Aber egal, ob man ihn als Person und die NEOS als Partei/ Bewegung mag oder nicht, er hat polarisier­t. Und egal, ob man Strolz als politische­s Rumpelstil­zchen oder als politische­n Duracellha­sen unter Red- Bull- Einfluss in Erinnerung behalten wird. Auch er hat der Demokratie neues Leben eingehauch­t. Manchmal, vermutlich meist nicht gewollt, hat er ihr sogar eine kabarettis­tische, unterhalts­ame Note verpasst.

Deshalb Dank für seinen Einsatz und Respekt vor seinem jetzigen Entschluss.

Newspapers in German

Newspapers from Austria