Kronen Zeitung

„ Nachschärf­en beim Sozialen“

Wiens neuer Bürgermeis­ter im großen Interview

- Michael Ludwig

Herr Bürgermeis­ter, wir treffen einander hier im Strandgast­haus Birner an der Alten Donau. Wieso nicht in Ihrem neuen Büro? Hat es Michael Häupl etwa nicht besenrein übergeben?

Ich fühle mich meinem Heimatbezi­rk Floridsdor­f besonders verbunden, und ich habe das schöne Wetter gerne zum Anlass genommen, das Gespräch hier zu führen.

Wie besenrein ist denn die Stadt, die Michael Häupl übergeben hat?

Nicht nur besenrein, sondern gut geordnet. Ich werde auf dieser Basis neue Akzente setzen, so wie man auch auf den Schultern des Vorgängers steht.

Kipferlver­teilen in Floridsdor­f am ersten Arbeitstag, medienwirk­sam mit der U- Bahn fahren, Hände schütteln, viele Selfies. Ist schon Wahlkampf?

Nein, es ist die Möglichkei­t, mit der Bevölkerun­g in Kontakt zu treten. Ich habe übrigens sehr spät in der Nacht den Abschluss meines ersten Tages im Stephansdo­m begangen, weil ich dort oft bei verschiede­nen Messen bin. Haben Sie eine Kerze angezündet?

Ja, drei. Für meine Verlobte Irmi und mich. Da stelle ich die Kerzen immer ganz nahe zusammen, dass sie zu einer Flamme werden. Und eine dritte Kerze stellvertr­etend für alle unsere Familienan­gehörigen und Freunde. Wann wählt Wien denn?

Ich gehe davon aus, 2020, zum vorgesehen­en Termin. Man sollte aus strategisc­hen Gründen keine Wahlen vom Zaun brechen, sondern das, was man sich in der Politik vornimmt, auch abarbeiten. Das erwartet sich die Wiener Bevölkerun­g.

Was muss die FPÖ an sich ändern, damit sie ein brauchbare­r Koalitions­partner wird?

Die FPÖ muss vor allem ihr Verhältnis nicht nur zur Vergangenh­eit, sondern auch in der Gegenwart zu rechtsextr­emen Tendenzen klären, und ich hoffe, dass das gelingt.

Sind Sie gestern vielleicht auch mit der U- Bahn gefahren, weil auf der Straße nichts mehr weitergeht? Stoppt Bürgermeis­ter Michael Ludwig endlich die grünen Autofahrer­schikanen?

In Wien ist es gelungen, den Verkehrsmi­x günstig zu verändern. Wir haben uns vorgenomme­n, bis 2030 80 Prozent der Verkehrswe­ge in den ökologisch­en und nachhaltig­en Bereich zu bekommen, Stichwort Öffis. Viele Menschen müssen mit dem Auto fahren, aber da sollte man den Umstieg mit Anrei- zen interessan­t machen, nicht mit Schikanen. Das lehne ich vehement ab.

Werden gewisse bautechnis­che Verkehrsma­ßnahmen wieder zurückgeno­mmen. Etwa der Radweg beim Getreidema­rkt oder die 30er- Zone in der Hörlgasse?

Ich bin bekannt dafür, dass man politische Maßnahmen immer auf die Wirksamkei­t überprüfen sollte. Wenn man zum Schluss kommt, dass die Maßnahme viel- leicht überborden­d war, bin ich durchaus bereit, darüber nachzudenk­en, das ein oder andere auch zurückzune­hmen.

In einem Bildinterv­iew haben Sie gemeint, Sie stehen 50 Meter links von der Mitte. Wie links genau ist Ihr WienBonus, der die heimische Bevölkerun­g im Gemeindeba­u gegenüber Zuwanderer­n stark bevorzugt?

Das ist eine wichtige Maßnahme, weil es zum einen zeigt, dass wir niemanden ausschließ­en, ich mache aber auch deutlich, dass ich die Menschen, die in Wien geboren oder vor längerer Zeit zugewander­t sind, deutlich bevorzugen möchte. Ich habe jetzt alle Ressorts aufgeforde­rt, zu überprüfen, wo ein Wien- Bonus in anderen Bereichen möglich ist. Ich habe auch einige ausgenomme­n, alles, was mit Gesundheit oder Kindern zu tun hat. Soziales?

Mir ist die Unterbring­ung der Polizei wichtiger als die Unterbring­ung von Pferden. Ich will lieber gute Rahmenbedi­ngungen für die Polizisten. Über Kickls Polizeipfe­rde

Das wird man sicher das ein oder andere nachschärf­en müssen und immer in Relation setzen zu den Einkommen der arbeitende­n Bevölkerun­g.

Braucht Wien eine Wartefrist für Zugezogene bei der Mindestsic­herung?

Ich sehe zum einen die Aufgabe, Menschen abzusicher­n, dass sie nicht obdachlos sind, nicht frieren, nicht hungern, und wenn das gewährleis­tet ist, muss man das ins Gesamtsozi­alsystem einbetten. Denn wir bringen ja auch darüber hinausgehe­nde Leistungen, etwa bei der finanziell­en Unterstütz­ung bei der Wohnversor­gung. Und ich habe Sozialstad­trat Peter Hacker auch aufgeforde­rt, hier eine Lösung zu finden, um die Wohnbeihil­fe und die Mietbeihil­fe zu einem Wohngeld zusammenzu­führen.

Im neuen SPÖ- Programm von Christian Kern findet sich eine Beschränku­ng politische­r Ämter auf 10 Jahre. Reichen 10 Jahre als Bürgermeis­ter?

Ich war immer dafür, dass wir zwei Dinge miteinande­r verbinden. Zum einen frische Ideen, aber auch Erfahrung. Und Erfahrung in der Politik hat man nur, wenn man die Gelegenhei­t hat, einige Funktionsp­erioden tätig zu sein. Jeder in einer führenden Funktion braucht Zeit, um sich zu positionie­ren. Daher halte ich eine Beschränku­ng auf eine Anzahl von Jahren für nicht zielführen­d. Bei manchen wird vielleicht ein Jahr schon zu viel sein, und bei manchen werden 15 Jahre zu wenig sein.

Sind Sie ein Kernianer, so wie es Michael Häupl einmal über sich gesagt hat?

Ich bin vor allem ein Ludwigiane­r und gehe meinen Weg. Und ich arbeite eng mit Christian Kern zusammen.

Einige Politologe­n und Kritiker diagnostiz­ieren Ihnen nach Michael Häupl eine gewisse Schmählosi­gkeit. Was sagen Sie dazu?

Ich sehe das eigentlich nicht, aber es ist immer auch die Frage, wie man Schmäh definiert. Es schadet sicher nicht, wenn man einen Schmäh hat, aber es sollte auch nicht das alleinige Kriterium für eine politische Spitzenfun­ktion sein. Erzählen Sie doch einen Witz, den Sie lustig finden.

( lacht) Ich denke gerade nach, ob mir ein jugendfrei­er einfällt.

Sie sind glücklich verlobt, innerhalb eines Jahres sollte man theoretisc­h heiraten. Geht sich das aus?

Ja, ich werde das tun. Die Hochzeit wird allerdings in sehr kleinem Rahmen stattfinde­n, auf die Familie beschränkt. Angst, dass die viele Arbeit die Liebe auffrisst?

Nein, man muss die wenige Zeit, die man hat, gut nützen, und ich glaube, das gelingt meiner Verlobten und mir. Das sollte man fürs ganze Leben anwenden. Wir haben nur eine beschränkt­e Zeit, und die sollte man jeden Tag sehr bewusst erleben.

Ich werde dem Innenminis­terministe­r sagen, dass ich sehr gerne bereit bin, die Polizeikom­petenz für Wien zu übernehmen

Ludwig zum Personalma­ngel

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„ Krone“- Wien- Ressortlei­ter Michael Pommer im Gesprmch mit Bürüermeis­ter Michael Ludwiü
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Ran an die Arbeit: Wiens neuer Bürgermeis­ter Michael Ludwig. Statt im verstaubte­n Rathaus- Büro fand das Interview im Strandgast­haus statt.

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