Kronen Zeitung

Tod in der Kaserne: Mord oder Unfall?

Bundesheer- Rekrut in Wien angeklagt Schuss habe sich aus Sturmgeweh­r „ gelöst“

- Gabriela Gödel

Nur eine Zigarette wollte er mit seinem Bundesheer­Kumpan im Kasernenho­f rauchen gehen. Als er dafür den schlafende­n Rekruten aufwecken wollte, „ löste“sich ein Schuss aus dem Sturmgeweh­r 77. Der Schuss traf Ismail in den Kopf. Er war sofort tot. Und Ali Ü. ( 27) steht vor den Geschworen­en in Wien: Mordprozes­s. Denn der Staatsanwa­lt glaubt nicht an einen Unfall.

Für Ankläger Georg Schmid- Grimburg ist es die Kernfrage – tragischer Unfall oder war doch eine Patrone im Lauf, nicht zufällig? Eine Frage, die Verteidige­r Manfred Stöger- Arbacher sofort aufgreift und an die Geschworen­en richtet: „ Ist mein Mandant ein Vorsatztät­er oder hat es sich einfach deppert zugetragen?“

Tatsache ist, dass am 9. Oktober 2017 Rekrut Ismail Mutlu zum Wachdienst in die Albrechtsk­aserne im 2. Wiener Gemeindebe­zirk einrückte – und sie nicht mehr lebend verließ. Er starb im Schlaf, getötet durch einen Kopfschuss. Geschossen hat Ali Ü., das gibt er auch zu: „ Ich habe ihn erschossen, aber nicht absichtlic­h, es war ein Unfall! Ich bin gestolpert, dabei hat sich der Schuss gelöst. Ein ohrenbetäu­bender Knall. Es hat nach Ruß gestunken. Und dann war da eine Blutlache.“

Etwas, was ihm der Staatsanwa­lt nicht glaubt. Warum war die Waffe nicht abgelegt, es ist streng verboten, sie in den Wachcontai­ner- Raum mitzunehme­n. Wie kann ein junger Mensch dermaßen über die eigenen Füße stolpern, dass er zu Sturz kommt? Den Sturz hat der 3. Rekrut im Wachradl nicht gehört, nur den Schuss. Als er in den extrem engen Raum eilt, steht der Angeklagte wieder! „ Selbst wenn alles so gewesen wäre, bleibt noch die Frage: Warum war die Waffe geladen und entsichert?“

Hier hakt der Verteidige­r erneut ein: „ Warum kriegt ein 18- Jähriger eine vollautoma­tische Kriegswaff­e mit geringster Einschulun­g in die Hand? Will man das , draußen’, muss man mindestens 21 sein, ein psychologi­sches Führungsze­ugnis und einen Waffenpass haben, der Schusstrai­ning voraussetz­t!“

„ Belastungs­zeuge“schildert nur Weinen

Das nicht sachgemäße Hantieren mit der Waffe ist Thema. Ali Ü. schildert, wie er mit dem Bundesheer- Gewehr immer wieder „ gespielt“hat, „ aus Zeitvertre­ib. Da betätigt man die Sicherung. Rein, raus, rein, raus.“Seine „ Waffenverl­iebtheit“ging so weit, dass der 3. Rekrut andere Kollegen sogar warnte . . .

Das Sturmgeweh­r, das hätte er ordnungsge­mäß ablegen müssen, als er den Kameraden zum Rauchen abholen wollte. Warum hat er es mitgehabt, will Richterin Eva Brandstett­er wissen? „ Ich kann’s nicht sagen, es ist alles so fetzenhaft. Ich weiß nicht, ob ich’s in der Hand gehalten habe oder umgehängt.“Wenn er es in der Hand gehalten hätte, dann könnte es ihm „ rausgeruts­cht sein. Ich bin ja dick, i schwitz a bisserl mehr.“

Das kam übrigens schon vorher vor, dieses „ Aus- derHand- Rutschen“. Gemeldet hat Ali Ü. das nie: „ Da können kleine Schäden am Gewehr entstehen, die hätten wir selber zahlen müssen.“

Um mit dem STG77 zu sChießen, BrauCht es mehrere SChritte. Den SpannsChie­Ber zurüCkzieh­en, das kostet Kraft. ICh haB’s proBiert.

Der Staatsanwa­lt glaubt nicht an Unfall

beim grundwehrd­ienst in hollabrunn haben mich türkische kameraden , jumbo‘ genannt. das hat mir auch nix ausgemacht. angeklagte­r über ein mögliches motiv

Und dass der Kamerad „ Dickerchen“zu ihm gesagt hat? Hat ihn das so sehr gekränkt, ist das ein Motiv? „ Ach, wir waren Freunde, wir haben uns im Scherz solche Kosenamen gegeben.“

Tatsächlic­h hat ein angebliche­r „ Belastungs­zeuge“– ein Mithäftlin­g – auch nichts anderes vernommen als Weinen um den Toten.

Nächste Woche geht es weiter. Mit Sachverstä­ndigen, auch einem Ballistike­r. Er wird sagen, dass sich tatsächlic­h Schüsse lösen können, wenn man das STG77 auf den Boden fallen lässt. Aber dann hat die Munition sehr deutliche Einkerbung­en. Die tödliche Patrone hatte sie nicht . . .

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Ismail Mutlu starb wlhrend der Ruhepause in der Kaserne durch einen Kopfschuss. Philipp Winkler ( li.) und Ümit Vural ( re.) stehen der trauernden Familie des Opfers beratend zur Seite.
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Man fred Arbacher- Stöuer m it sein em Man dan ten , der sein en Rekruten - Kolleuen in der Wien er Albrechtsk­asern e m it dem Sturm uewehr erschoss: „ Es war ein Un fall.“
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