Kronen Zeitung

Strafzölle oder nicht?

- Dr. Peter Presinger, Präsident der Österreich­isch- Russischen G esellschaf­t Stmk., G raz

Ob die von Donald Trump verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium Schutz- oder Strafzölle sind, hängt sehr von der jeweiligen Betrachtun­gsweise ab und ist im Prinzip nicht sehr relevant. Für die betroffene­n Branchen werden sie gewisse Auswirkung­en haben, die jedoch weitgehend überschaub­ar bleiben sollten. Die EU denkt nun ihrerseits über „ Revanchezö­lle“– etwa auf Jeans, Whisky und US- Motorräder – nach. Das ist zwar menschlich verständli­ch, aber gewiss nicht die Lösung bzw. das Gelbe vom Ei.

Eine solche Maßnahme könnte den amerikanis­chen Blondschop­f zu weiteren unklugen Reaktionen, etwa nach dem Motto „ Wenn du mir mein Schauferl wegnimmst, mache ich deine Sandburg kaputt“verleiten, und dann könnte sich die gegenwärti­ge Kabarettnu­mmer zu einer ernsteren Situation, wie etwa zu einem echten Handelskri­eg, ausweiten. Niemand wünscht sich das.

Die EU sollte eher aus der Situation gelernt haben und die richtigen Konsequenz­en ziehen, d. h. sich wieder stärker dem natürliche­n Partner Westeuropa­s, nämlich der Russischen Föderation, zuwenden. Der russische Präsi- dent ist ein ausgeprägt­er Pragmatike­r, der sich deutlich weniger als sein US- Kollege bei Entscheidu­ngen von persönlich­en Emotionen leiten lässt.

Die EU müsste allerdings über diverse eigene Schatten springen, eine ganze Reihe liebgeword­ener Vorurteile ehrlich hinterfrag­en und über Bord werfen, sowie das Verhältnis zu Russland auf ganz neue Grundlagen stellen.

Russland war stets – auch in der sowjetisch­en Periode – ein verlässlic­her Partner und sehr pünktliche­r Zahler. Die Russische Föderation wieder stärker ins Boot zu holen, kann für die EU nur von Vorteil und für Donald Trump vielleicht ein Anstoß zum Nachdenken sein. Der Gedanke eines gemeinsame­n Wirtschaft­sraumes von Lissabon bis Wladiwosto­k wurde schon wiederholt von etlichen bedeutende­n Persönlich­keiten aus Ost und West ins Spiel gebracht. Vielleicht heute noch eine Utopie?

Die Geschichte hat schon wiederholt gezeigt, dass Utopien manchmal fast über Nacht Wirklichke­iten werden können.

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