Die Rache eines Außenseiters
Spätere Probleme – Mario brach drei Lehren ab – das „ führten mein Mann und ich auf Faulheit zurück.“
In Wahrheit hatte der Bursch Angst vor Fremden. „ Er war ziemlich kontaktscheu – und vermutete ständig Intrigen gegen ihn.“Auch in der Gastro- Schule in Mistelbach, die er 2017 einige Monate hindurch – unregelmäßig – besuchte: „ Er fühlte sich dort gemobbt.“
Und er zog sich abermals völlig in sein psychisches Schneckenhaus zurück.
Wie verbrachte er seine Tage? In Polizeiverhören erzählte er von Videos, die er im Internet gesehen und die ihn „ angetörnt“hätten – Dokumentationen über Amokläufe, über die Lebensgeschichten der Täter: „ Ich fühlte mich mit ihnen auf eine wunderbare Weise verbunden . . .“
Zuletzt lebte er in einer Fantasiewelt
„ Ich weiß bloß“, so seine Mutter, „ dass er oft vor dem Computer saß und , Game of Warcraft‘ spielte.“Sich in eine Fantasiewelt beamte, in der er groß und stark war. In seiner von ihm selbst erwählten Rolle als „ weiser Schamane“.
Die Realität verlor damit zunehmend an Bedeutung für ihn: „ Manchmal wirkte er extrem gefangen in seinem virtuellen Dasein.“
In dem er sogar eine Freundin fand: „ Er chattete häufig mit einem Mädchen aus Amerika, sie heißt Ashley, er behauptete, mit ihr eine Beziehung zu haben.“
In seinem letzten Tagebucheintrag, wenige Stunden vor dem Drama, entschuldigte er sich bei der 17Jährigen für das „ was nun gleich geschehen wird“, und er schwor ihr ewige Liebe, „ bis in den Tod . . .“
Marios Ziellosigkeit, seine Entrücktheit schien „ plötzlich zu verschwinden, im Herbst 2017“. Der Bursch ging damals zum Bundesheer, „ anfangs fühlte er sich dort sehr wohl, er hatte sogar vor, Berufssoldat zu werden“.
Bis er im März 2018 seiner Mutter von einem Vorfall in der Kaserne berichtete: „ Er hatte im Eingangsbereich zwei Rekruten um das Vorzeigen ihrer Ausweise gebeten, andernfalls würde er ihnen den Zutritt verwehren, hatte er im Scherz zu ih- nen gesagt. Die Kollegen sollen humorlos reagiert, ihn als Blödmann bezeichnet haben.“
„ Mittlerweile ist mir egal, wer wann wie stirbt“
Was Mario als „ entsetzliche Beleidigung und Zurückweisung“empfunden hätte: „ Er wollte kaum noch zum Dienst gehen . . .“
Ab dem 2. April führte er Aufzeichnungen in einem Schulheft: „ Ich dachte mir mal, ich halte meine Gedanken auf Papier fest. Vielleicht hilft es ja, da ich sonst niemanden zum Reden habe. Vielleicht kann ich mich ja selbst noch von meinen Plänen abhalten. Mordfantasien wie diese hatte ich noch nie. Die Welt wäre so viel besser, wenn alle tot wären. PS: Dieses Journal ist Eric Harris und Dylan Klebold ( den „ Columbine- Todesschützen“: Anmerkung der Redaktion) gewidmet.“
Danach: Entwürfe von Tatabläufen. Der 18- Jährige überlegte, ein HeeresSturmgewehr zu entwenden, oder eine Bombe zu bauen.
Am 8. Mai beschaffte er sich einen knöchellangen schwarzen Trenchcoat – das „ Markenzeichen“seiner Vorbilder – und er kaufte in einem Waffengeschäft eine Schrotflinte samt Munition.
„ Mittlerweile ist es mir egal, wer wie wann stirbt. Ich habe keine Geduld mehr. Bye“– kritzelte er dann in sein Tagebuch.
„ Als er am nächsten Vormittag von daheim wegging“, sagt seine Mutter, „ wirkte er nicht anders als sonst.“Ruhig, traurig, in sich gekehrt.