Der Rache- Plan eines Außenseiters
Schüchtern, still, brav. So wird Mario S. von seiner Mutter beschrieben. Von seinen Mordfantasien ahnte sie nichts – bis er vor einem Monat in Niederösterreich einen Schul- Amoklauf begehen wollte. „ Ich hasse alle Menschen“, schrieb der Bursch davor in s
Von Kindheit an hatte Mario wenige Freunde. Am liebsten war er alleine, er baute dann in seinem Zimmer Burgen aus Lego oder er puzzelte. Später saß er er oft vor seinem Computer und spielte , World of Warcrafts’.
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Mittlerweile behauptet er, dass er sein fürchterliches Handeln „ eigentlich gar nicht verstehen kann“. Dass er „ irgendwie hypnotisiert“und nicht er selbst gewesen sei. Damals, am 9. Mai.
Als Mario S., bekleidet mit einem knöchellangen schwarzen Mantel, vor dem Bundesschulzentrum Mistelbach stand, nach Opfern Ausschau hielt – und schließlich den Abzug seiner Schrotflinte drückte.
Die erste Kugel traf einen 19- Jährigen, in die Wange; der junge Mann wurde schwer verletzt.
25 Stück Munition trug der Schütze – für ihn gilt die Unschuldsvermutung – an dem Tag, an dem er „ zum Helden werden wollte“, bei sich. „ Ich hätte gerne weitergeschossen und so viele Menschen wie möglich getötet“, gab er später der Kripo zu Protokoll, „ aber meine Waffe hatte leider eine Ladehemmung . . .“
Er gilt als psychisch schwer gestört
Der 18- Jährige ist nun in der geschlossenen Abteilung der niederösterreichischen Landesnervenklinik MauerÖhling untergebracht; er schläft viel, redet wenig, wirkt verschlossen.
Was geht in seinem Kopf vor? Die Wiener Kinderund Jugendpsychiaterin Gabriele Wörgötter hat den Burschen in den vergangenen Wochen eingehend untersucht, in ihrem Gerichtsgutachten über seinen Geisteszustand kommt sie zu dem Schluss: Mario S. leidet an einer massiven Persönlichkeitsstörung, weitere Gewaltdelikte sind von ihm zu befürchten.
Mario scheint die Folgen dieser Beurteilung nicht zu begreifen. „ Wann darf ich endlich wieder zu dir nach Hause?“, fragt er seine Mutter, wenn sie ihn hinter Gittern besucht.
Jetzt sitzt die 42- Jährige auf der Couch in ihrem Wohnzimmer, ihre Hände zittern, sie weint unaufhörlich. „ Ich kann, ich will das alles nicht glauben“, schluchzt sie.
Tagebucheinträge ihres Sohnes belegen, dass er sein Verbrechen penibel geplant haben muss.
Er schrieb darin über seine „ engsten Seelenverwandten“– Eric Harris und Dylan Klebold, jene beiden jungen Amerikaner, die 1999 an der Columbine- HighSchool, Colorado, ein grau- enhaftes Massaker begangen haben. Er schrieb über seine Todessehnsucht. Er schrieb über seinen enormen Hass – auf die ganze Welt. Und auch auf seine Familie.
„ Ich habe“, sagt seine Mutter, „ davon nie etwas gespürt.“Bis zuletzt nicht. Was war das Davor? „ Mario ging es daheim immer gut.“Er wuchs mit zwei Geschwistern auf, in behüteten, finanziell geordneten Verhältnissen – beide Elternteile sind Inhaber kleiner Betriebe.
„ Er war schon als Kind ein wenig auffällig . . .“
„ Schon“, erinnert sich die Frau, „ Mario ist bereits als Bub ein bisschen , anders‘ gewesen.“Er hatte nur wenige Freunde, verbrachte viel Zeit alleine, in seinem Zimmer; baute Burgen aus Legosteinen, puzzelte. „ Und er war auffällig still.“
In der Volksschule „ lernte er noch brav“, nach dem Übertritt in eine NMS „ wurden seine Leistungen schlechter.“Er erzählte seiner Mutter von Klassenkameraden, die sich über ihn wegen seines zarten Körperbaus lustig machen würden: „ Mario war zu schüchtern, um sich gegen die Angriffe zu wehren.“
Und er wurde noch mehr zum Einzelgänger, zum Außenseiter. Irgendwann begann er sich zu ritzen. An den Armen, den Beinen.
„ Ich dachte, er wolle damit bloß Aufmerksamkeit erregen. Ich erkannte einfach nicht, dass er eine psychologische Behandlung gebraucht hätte“, klagt sich die 42- Jährige jetzt an.