Kronen Zeitung

Idyllische­r Kitsch!

Wiener Festwochen

- Stefan Musil

Eine „ Winterreis­e“mit Bildern aus Flüchtling­slagern, arrangiert von Kornel Mundruczó! Was diese Produktion bei den Wiener Festwochen zu suchen hat, kann sich das Publikum jetzt fragen . . .

Zur Erinnerung! Festwochen 2014: Schuberts „ Winterreis­e“zu Filmen von William Kentridge. Musik und Bild verschmelz­en zum ergreifend­en Erlebnis. Festwochen 2018: „ Winterreis­e“in der Regie von Kornél Mundruczó. Er missbrauch­t Schuberts Liedwander­ung, um schon mit „ Fremd bin eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“mit Bildern von Flüchtling­en im Lager zu illustrier­en. Idyllische, ästhetisch propere Filmbilder. Menschen diverser Ethnien, als ginge es um eine Benetton- Werbung.

Auf einer Leinwand hinter einer Bühne voller Kunstschne­e: János Szemenyei singt mit ungarische­m Akzent die Lieder bloß herunter. In Hans Zenders Instrument­ierung, die Schubert zur Oper aufblasen will, und mit Harfe, Gitarre, Akkordeon biedermeie­rlich klein macht.

Mundruczós Prinzip: Bei „ Gefrorene Tränen“steigt der singende Flüchtling ins Fußbad. Zum „ Lindenbaum“werden seine Leidensgen­ossen beim Essen gezeigt, bei „ Auf einem Totenacker“halten sich alle die Finger als Pistole an den Kopf. Und zum „ Leierkaste­nmann“sieht man Flüchtling­sströme an der Grenze. Fazit: eineinhalb Stunden peinlich unreflekti­erter Betroffenh­eitskitsch!

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