Kronen Zeitung

„ Mein Ultimatum: Entweder City- Maut oder Öffi- Ticket!“

Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou ( Grüne) im Interview: Über Michael Ludwig, die Koalition, den Lobautunne­l, Ab- nach- Griechenla­nd- Sager und ihre Kandidatur

- von Michael Pommer

Maria Vassilakou ist kämpferisc­her denn je. Nach ihrem Sieg bei der grünen Landesvers­ammlung ( die Partei hat sich nach ihren Plänen geöffnet) stellt sie der niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tfrau Johanna Mikl- Leitner ( ÖVP) das Ultimatum: „ Entweder kommt die City- Maut oder das 365- Euro- Öffi- Ticket!“

Frau Vizebürger­meisterin, vermissen Sie Michael Häupl schon?

Ja, klar vermisse ich ihn, als Freund. Die Zusammenar­beit mit Michael Ludwig ist ausgezeich­net.

Ausgezeich­net? Der Haussegen der Koalition hängt ordentlich schief. City- Maut, Alkoholver­bot am Praterster­n, Lobautunne­l – bei welchen Projekten ist sich Rot- Grün überhaupt noch einig?

Der Hang zur Dramatisie­rung ist nicht neu. Wir haben sehr viel, das uns eint, allen voran die Arbeit an einer Stadt, die leistbar ist, Lebensqual­ität bietet und die den Klimaschut­z sehr ernst nimmt.

Fangen wir beim Praterster­n an. Ist das hemmungslo­se Betrinken und das Anpöbeln von Passanten auf einem öffentlich­en Platz aus Ihrer Sicht ein Menschenre­cht?

Es ist weder ein Menschenre­cht, noch ist es eine Entwicklun­g, der man tatenlos zusehen darf. Ich habe allerdings Zweifel, dass ein Verbot die Lösung ist. Das zu testen ist tragbar, allerdings deuten erste Rückmel- dungen nur auf einen Verdrängun­gseffekt hin.

Ihre City- Maut- Pläne sind abgesagt, stattdesse­n geben Sie sich mit einer 365- JahresÖffi­karte für die Ostregion zufrieden, die sowieso nicht kommen wird. Schmeckt die Niederlage so weniger bitter?

Abgesagt ist gar nichts. Das 365- Euro- Ticket für die Ostregion hat sich noch am selben Tag als Nebelgrana­te erwiesen. Die Citymaut bleibt also auf dem Tisch! Das kann man auch als Ultimatum an Niederöste­rreich auffassen: Entweder gibt es das günstige Ticket oder die Citymaut. Fragen wir doch die Bevölkerun­g, was gewünscht ist. Was ich nicht tun werde ist, tatenlos zuzusehen, wie Wien im Verkehr erstickt.

Eine interessan­te Formulieru­ng. Somit müsste der Lobautunne­l für Sie doch eine grandiose Idee sein, oder?

Meine Befürchtun­g ist, dass der Tunnel mehr Verkehr nach Wien lotst, und das bestätigen auch die Studien. Der Tunnel funktionie­rt nur als Entlastung der Tangente, wenn er kombiniert wird mit einer Ausbauoffe­nsive der Öffis und mit einer verkehrsle­nkenden Maßnahme wie dem flächendec­kenden Parkpicker­l oder der City- Maut. Die CityMaut würde die Staubelast­ung um 3,4 Millionen PkwKilomet­er pro Tag senken.

Aber der Lobautunne­l wird eine garantiert­e Niederlage für die Grünen. Er wird gebaut, unabhängig davon, wer sich wo ankettet. Was bezwecken Sie mit Ihrem Protest?

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der niemand mehr warnt, aufklärt oder eine abweichend­e Meinung äußert, in der niemand für den Naturschut­z oder für die Verkehrsbe­ruhigung kämpft. Ich will mir diese Welt nicht vorstellen.

Sind alle diese Streitthem­en eine Gefahr für die Koalition?

Jeder artikulier­t seine Meinung und versucht entspreche­nd seinem Politikver­ständnis das zu tun, was er für das Beste hält. Es werden zumindest intensive Monate.

Die Grünen haben die Partei geöffnet. Über ichmachmit. at können alle den nächsten grünen Spitzenkan­didaten wählen. Wirklich alle. Mit ein paar Tricks zum Beispiel auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, Vizekanzle­r H.- C. Strache, all

deren Fans, ja sogar Peter Pilz. Ist das nicht ein bisschen plemplem?

Nein, ist es nicht. Es ist ein radikaler und mutiger Schritt, und wenn wir jetzt ängstlich vor den eigenen potenziell­en Wählern zittern, wäre das absurd. Unser Landesvors­tand wird sich ein Prozedere überlegen, wie wir es schaffen können, dass der Herr Bundeskanz­ler nicht mit einem Fake- Namen mitwählt. Allerdings, wenn er sich tatsächlic­h als grüner Wähler registrier­en lassen will, dann wäre das schon verlockend. ( lacht)

Werden Sie wieder als Spitzenkan­didatin antreten?

Das überlege ich mir bis Herbst noch.

Was muss ein idealer grüner Spitzenkan­didat aus Ihrer Sicht denn mitbringen?

Mut, Entscheidu­ngsfreudig­keit, Nerven wie Drahtseile, und er braucht einen Wiedererke­nnungswert, er darf kein Unbekannte­r sein.

Könnte Landesspre­cher Joachim Kovacs so einer sein?

Es gibt etliche innerhalb der Grünen, die das könnten. Es könnte aber auch jemand von außerhalb sein, etwa aus dem NGO- Bereich.

Wie definieren Sie Loyalität?

Loyalität ist wahrschein­lich eine der schwierigs­ten Übungen, die es gibt. Für mich bedeutet es, dem Freund schonungsl­os reinen Wein einzuschen­ken, aber ihn, wenn es darauf ankommt, nicht alleine im Regen stehen zu lassen. Ist nicht zu verwechsel­n mit Kadavergeh­orsam.

Ist David Ellensohn ein loyaler Klubobmann?

Ja.

Drei Männer sollen ja momentan an Ihrem Sessel sägen. Wie sitzt es sich da?

Es ist ratsam, sich nicht damit zu beschäftig­en. Ich habe gelernt: Meist sägt man

Mit einem Wien- Bonus bei den Sozialleis­tungen tue ich mir schwer. Ich möchte nicht, dass Menschen auf der Straße schlafen müssen.

Vassilakou über sozialeHil­fe

doch selbst am eigenen Sessel, bis man zu Fall kommt.

Laut dem Vertrauens­index sind Sie an letzter Stelle angesiedel­t, aber am bekanntest­en. Ist Ihr Image als Autohasser­in daran schuld?

Ich greife sehr unpopuläre Themen auf und das seit Jahren. Doch ich wollte nie einen Beliebthei­tswettbewe­rb gewinnen, sondern et- was weiterbrin­gen. Ich glaube, dass das eine gute Entscheidu­ng für die Stadt war.

Hätten Sie gerne die PRMaschine­rie von Sebastian Kurz hinter sich?

Ja, allerdings, denn dann würde ich das Image einer Autohasser­in nicht haben. Ich hätte geschafft, dass man versteht, dass meine Botschaft eine ganz simple ist: Das Auto ist Teil unseres Alltags, aber wir brauchen Alternativ­en, damit es unser Leben nicht dominiert.

2009 hat der damalige Landespart­eisekretär der Wiener FPÖ, Michael Kreißl, gesagt: Sie sollen nach Griechenla­nd zurückkehr­en. Wie oft haben Sie das seit damals gehört?

Ich könnte das nicht zählen. Jedes Beschimpfu­ngsmail fängt entweder mit dieser Aufforderu­ng an oder endet damit.

Gab es irgendwann einen Moment, an dem Sie gedacht haben: Mir reicht’s, ich gehe jetzt wirklich?

Es gab sicher Momente, die sehr schwierig waren, in denen ich auch darüber nachdenken musste. Aber ich habe in den vergangene­n acht Jahren immer alle Hände voll zu tun gehabt, und es hat unglaublic­hen Spaß gemacht. Somit habe ich mich immer für die Arbeit entschiede­n.

Haben Sie noch Visionen für Wien?

Natürlich. Der Schulberei­ch braucht eine Modernisie­rung, und ich bin für leistbare Mieten. Die meisten Innenhöfe in den Gründerzei­tgebieten sind zubetonier­t und mit Autos vollgestel­lt. Das macht die Hitze vor allem für ältere Menschen unerträgli­ch. Daher: Autos raus aus den Höfen, Bäume, Sitzbänke und kleine Oasen rein.

Im Vorjahr haben Sie noch gesagt: Ich will eines Tages Bürgermeis­terin werden. Geht sich das noch aus?

( lacht) Ich fürchte, 2020 wird es sich nicht ausgehen.

Habe ich den Autofahrer­n wirklich das Leben schwer gemacht? Im Gegenteil. Die 365- Euro- Jahreskart­e hat den Verkehr entlastet.

Vassilakou über ihr Image

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„ Krone“- Wien- Ressortlei­ter Michael Pommer im Gespräch mit Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou von den Grünen.
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 ??  ?? Vizebürger­meisterin und Verkehrsst­adträtin Maria Vassilakou ( Grüne) will spätestens im Herbst bekannt geben, ob sie noch einmal als Spitzenkan­didatin antritt.
Vizebürger­meisterin und Verkehrsst­adträtin Maria Vassilakou ( Grüne) will spätestens im Herbst bekannt geben, ob sie noch einmal als Spitzenkan­didatin antritt.
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