Haben sie alle weggeschaut?
Nicht nur Mutter, sondern ganzer Ort soll vom Missbrauch eines Vaters am eigenen Kind Bescheid gewusst haben
Es wusste laut Anklage irgendwann der ganze Ort Bescheid. Über den Gastwirt, der seine Tochter missbrauchen soll. Über die Mutter, die nicht nur die Schlafzimmertür, sondern vor allem ihre Augen verschließen soll. – Prozess um ein Martyrium, dessen Aufarbeitung erst durch einen engagierten Polizisten begann.
Fesch hergerichtet in Tracht ist das angeklagte Ehepaar, Gastwirte aus Niederösterreich. Harmonischer Familienbetrieb als Fassade? Unfassbares soll dahinter vorgegangen sein: Der Vater ( 54) soll seine Tochter von früher Kindheit an missbraucht haben.
Das Kind schlief oft im Bett der Eltern, wie auch
eines Tages 1995: „ Der Vater kommt frühmorgens betrunken heim, ist aggressiv“, sagt die Staatsanwältin in Krems. Die Mutter verlässt das Schlafzimmer, lässt das Kind allein bei ihm zurück. Da beginnt es: Zuerst mit Streicheln, Berührungen.
„ Sexbeziehung wie mit Erwachsener“
Was sich laut Anklage steigert: 1996 vergewaltigt der Vater die Tochter, damals 7 oder 8 Jahre alt, erstmals. Staatsanwältin: „ Von da an ist er völlig enthemmt, führt eine Sexbeziehung mit dem Kind wie mit einer Erwachsenen.“Jahrelang.
Die Mutter ( 51) spricht den Gatten laut Anklage nach „ eindeutigen Äußerungen“des Kindes zwar darauf an, gibt sich aber mit dessen Leugnen zufrieden – selbst noch, als sie ihn direkt dabei erwischt haben soll . . .
Das Mädchen hatte sich mehreren Leuten anvertraut, traute sich aber nicht zur Polizei: „ Der Vater hat ihr eingeredet, er würde sich umbringen, und sie würde die Familie zerstören“, so die Anklägerin: „ Obwohl ihr Schicksal im Ort die Runde machte, ist nichts passiert.“
Bis 2017: Da hört zufällig ein Polizist ein Gespräch von Einheimischen über den Missbrauch mit an – und erstattet Anzeige.
Was die Eltern zu den Vorwürfen sagen, bleibt der Öffentlichkeit verborgen: Der Prozess wird ohne Zuschauer geführt. – Vertagt.