„ Niemand ist von Grund auf fanatisch“
Welche Erfahrungen mit Gewalt am eigenen Leib haben Sie schon gemacht?
Ich kenne das eigentlich nicht, nicht aus meinem persönlichen Erleben. Von ganz früh an war ich jedoch fast besessen davon herauszufinden, was bei Gewalt alles passiert. Die Initiatoren waren die ersten Kriegsver brecherprozesse, da war ich sechs oder sieben J ahrealt. Es gab den Prozess gegen Franz Murer, diesen Massenmörder, der im KZ eigenhändig Leute umgebracht hat. Das war ein so tiefgreifender Schock zu sehen, dass der freigesprochen wurde. In meiner kindlichen Vorstellung von Gerechtigkeit war das eine absolute Unmöglichkeit. Diewenigen Zeugen aus Israel, die es gab, sind weinend zusammengebrochen, weil das Gericht sich über sie lustig gemacht hat. Alle Blumengeschäfte waren danach ausverkauft und leer, so hat man das gefeiert. Ich wusste damals ja nicht, dass sowohl der Staatsanwalt als auch der Richter und alle Beteiligten Ex- Nazis waren.
Wie gewalttätig ist die Politik?
Faktum ist, dass Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg immer im Kriegszustand gewesen ist. In diesen Kriegen sind etwa 30 Millionen Menschen gestorben. Große Teile der sogenannten Dritten Welt sind in die Steinzeit zurückgebombt worden, wie sich die Generäle gerne ausdrücken. Hinter all diesen Kriegen stehen immer nur wirtschaftliche Interessen. Gnadenlose Gier ist die treibende Kraft. Religion ist nur der Vorwand, ein Mittel, um Menschen zu fanatisieren und zu manipulieren. Im Grunde wollen alle Menschen, überall auf der Welt das Gleiche; mit ihren Familien in Frieden leben. Niemand ist von Grund auf fanatisch.
Nun gehört aber auch Wladimir Putin, den Sie wiederum sehr schätzen, zu dieser Elite der Macht und Gier.
( lacht) J a, ich habe einmal erwähnt, dass Whistleblower Edward Snowden sein Leben und seine Unversehrtheit Putin verdankt, weil er der einzige Mensch der Welt ist, der die Macht hat, ihn zu beschützen. Putin wird von den westlichen Medien ständig dämonisiert. Ich vertraue da lieber auf meine eigene Wahrnehmung und möchte nicht unbedingt vergleichen müssen, wer der größere Menschenrechtsverletzer ist, Putin oder die USA. DasErgebnis könnte überraschend ungünstig für eine der beiden Seiten ausfallen.
Sie haben übrigens etwas mit Putin gemeinsam.
Und zwar?
Er hat ein Bild gemalt und es im Jahr 2009 für 37 Millionen Rubel verkauft.
Irgendwie habe ich ein Problem mit Politikern, die zu malen beginnen. Aber manchmal ist es besser, wenn sie malen, statt Kriege zu führen. Da fällt mir ein, dass 60 Jahre bevor ich auf der Akademie am Schillerplatz war, ein junger Mann aus Linz zweimal versucht hat, aufgenommen zu werden, und zweimal abgewiesen wurde. DerName des jungen Mannes war Adolf Hitler. Derschwerste Fehler, den jemals eine Universität begangen hat. DieWelt wäre besser dran gewesen mit einem weiteren schlechten Maler als mit einem geistesgestörten Führer.
Hatte Hitler irgendwo auch nur den Hauch eines Talents zum Malen?
Nein, er war ganz schlecht, elend. Er war relativ effektiv als Bestie.
Das ist jetzt ein radikaler Themenschwenk. Österreich diskutiert derzeit heftig über den 12- Stunden- Arbeitstag. Was sagt ein Künstler dazu?
Ich kann nicht wirklich mitreden, bei mir gibt es den 18- Stunden- Tag. Ich arbeite immer, auch am Samstag, auch am Sonntag. Ich habe nie Urlaub gemacht.
Sie haben einmal gesagt, alt zu werden ist unerträglich. Warum eigentlich?
Ich denke, dass ein Menschenleben generell zu kurz bemessen ist. Wenn ich zurückschaue, ich würde alles anders machen. Ich und viele meiner Generati on haben so viel Zeit verplempert mit so viel Blödsinn. Wir haben lange gebraucht, sich zurechtzufinden, sich zu orientieren. Und jetzt, wo man beginnt, ein paar Dinge zu verstehen, merkt man, es ist bald wieder vorbei. 250 J ahre wären da besser. Ich habe das Gefühl, mein Hauptwerk kommt erst. Was mich am Leben erhält, ist die Unzufriedenheit. So will ich nicht abtreten. Daswar’s noch nicht.
Die Verantwortung der Menschen ist, dass sie einer kleinen Elite erlauben, eine solche Verwüstung anzurichten. Über die Mächtigen