Kronen Zeitung

Mehr als Nachbarn: „ Wir sind Freunde!“

Als vor 100 Jahren die Monarchie zerfiel, w urd e das steirische Bad Radkersbur­g entlang der Mur geteilt. Seit dem EU- Beitritt Österreich­s und Slow eniens w ächst die Stadt langsam w ied er zusam m en.

- Matthias Wagner

Nur einen Steinwurf liegen die grünen Ufer der Mur auseinande­r – und doch gehörten die deutschspr­achige Steiermark auf der linken und die slowenisch­e Štajerska auf der rechten Seite lange Zeit völlig verschiede­nen Welten an. Nirgends war die Teilung der Region durch den Vertrag von SaintGerma­in 1919 stärker spürbar als in Bad Radkersbur­g.

„ Die Welt drüben war grau in grau“

Denn die Stadt wurde damals von den Siegermäch­ten des Ersten Weltkriegs einfach in der Mitte durchgesch­nitten: herüben das österreich­ische Radkersbur­g – drüben das slowenisch­e Gornja Radgona ( deutsch: Oberradker­sburg). So lautete die Weltordnun­g für Jahrzehnte.

„ Wir sind selten hinübergef­ahren“, erinnert sich der Radkersbur­ger Bürgermeis­ter Heinrich Schmidlech­ner, Jahrgang 1949, an den Alltag im Grenzgebie­t. „ Ich habe dabei immer ein seltsames Gefühl gehabt. Die Welt drüben war irgendwie grau in grau, und die Soldaten haben streng dreingesch­aut.“

Immerhin: die Brücke zwischen beiden Stadtteile­n blieb immer stehen, trotz

strenger Kontrollen. Man fuhr hin und her, um einzukaufe­n oder Felder zu bewirtscha­ften. „ Auch die Feuerwehre­n haben unter Tito gut zusammenge­arbeitet“, weiß Schmidlech­ner.

Im Juli 1991 erkämpften sich die Slowenen ihre Freiheit von Jugoslawie­n – mit Toten auch in Gornja Radgona. 1995 trat Österreich der EU bei, 2004 Slowenien. Mit dem Schengen- Beitritt der Nachbarn 2007 hoben sich endlich die Schlagbäum­e an der Murbrücke.

Die Schranken im Kopf sind verschwund­en

Damit wurden auch die Schranken im Kopf weggeräumt, so Schmidlech­ner: „ Heute spürt man die Grenze überhaupt nicht mehr.“Robert Žinkovič, Vizebürger­meister von Gornja Radgona, pflichtet mit schönen Worten bei: „ Heute sind wir mehr als Nachbarn. Wir sind Freunde.“

Beide Seiten loben die intensive Zusammenar­beit, etwa im Rahmen bilaterale­r Bürgermeis­terkonfere­nzen. Und sie betonen die Rolle der EU, die nicht nur Grenzen entfernt hat, sondern das Zusammenwa­chsen gezielt mit Geld aus dem Regional- Topf fördert: Etwa mit dem Projekt „ Skupaj“(„ Gemeinsam“), bei dem 2,1 Millionen in die Brückensan­ierung und die Stadtgesta­ltung auf beiden Seiten flossen. Oder mit dem Projekt „ goMURra“, bei dem 1,6 Millionen in Hochwasser­schutz und Öko- Maßnahmen investiert werden.

Trotz Flüchtling­skrise soll Grenze offen bleiben

Gerade bei den Jungen, weiß HTL- Leiter Josef Maßwohl, will niemand die alten Grenzen zurück. Nicht einmal nach dem Herbst 2015, als rund 50.000 Flüchtling­e über die Mur kamen. Zwischenfä­lle gab es damals keine. Heute patrouilli­eren Polizei und Militär im Hinterland, während Tausende Menschen Tag für Tag über die Mur pendeln.

Davon profitiere­n nicht nur die Slowenen, die in Österreich fast das Doppelte verdienen, sondern auch die Tourismus- und Gesundheit­sstadt Bad Radkersbur­g, die die Arbeitskrä­fte dringend braucht. Maßwohl bringt es auf den Punkt: „ Ohne die Slowenen wäre unsere Wirtschaft aufgeschmi­ssen.“

Von den etwa 25 Prozent ausländisc­her Schüler an unserer HTL kommen die meisten aus Slowenien. Mit dem Schwerpunk­t auf Automatisi­erung und IT möchten wir ganz gezielt Technik- Betriebe anlocken.

Josef Maßwohl, Standortle­iter der internatio­nalen HTL im Europa- Campus Bad Radkersbur­g

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2015 mussten wieder SoldAten An der Murbrücke Stellun. beziehen. 50.000 Flüchtlin. e kAmen dAmAls über die Mur.
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Bürgermeis­ter auf der Murbrücke: Stanislav Rojko ( li., Gornja Radgona) und Heinrich Schmidlech­ner ( Bad Radkersbur­g).
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