Alle Augen auf dem „ Schicksalsgipfel“
EU- Gipfel ringt erneut um Migrationspolitik Chaos, Blockade, Drohungen
AUS BRÜSSEL BERICHTET DORIS VETTERMANN
Dieser EU- Gipfel wurde im Vorfeld zu einem „ Schicksals- Treffen“hochstilisiert, zu einem Rat, der über die Zukunft Europas und über jene der deutschen Kanzlerin Angela Merkel entscheidet. Als wäre das Chaos nicht schon groß genug, startete der Gipfel mit einer Blockade der Italiener. Und Österreich machte klar, dass im Fall der Fälle die Grenzen dicht gemacht werden.
Die Stimmung vor Beginn des Gipfels war erstaunlich gelöst, es wurde über Fußball gefachsimpelt, Trikots wurden überreicht. Auch Angela Merkel, die zuletzt wenig zu lachen hatte, gab sich betont entspannt.
Zur Erinnerung: In Deutschland ist ein erbitter- ter Streit zwischen CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik ausgebrochen – und zwar einzig und allein wegen der Wahl in Bayern im Oktober. Innenminister Horst Seehofer hatte gedroht, Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen – eine klare Kampf- ansage an seine Koalition mit Angela Merkel.
Kurz: „ Werden gleiche Maßnahmen setzen“
Österreichs Innenminister Herbert Kickl stellte bereits klar, dass unser Land die Migranten nicht nehmen werde. Das untermauerte auch Kanzler Kurz: Sollte Deutschland Flüchtlinge abweisen, werde man die Grenzen dicht machen.
Beim Gipfel rüsteten sich die Staats- und Regierungschefs für eine lange Nacht. Mit neuen Begriffserklärungen soll ein Fortschritt aus der Zwickmühle signalisiert werden. So heißen nun etwa die Flüchtlings aufnahmezentren außerhalb der EU, über die bereits seit Jahren gesprochen wird ,„ Ausschiffungs plattformen “. Und das Dublin- Abkommen, das regelt, dass jenes Land, in dem die Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten, für sie zuständig ist, wird zur „Sekundär migration “.
Im Mittelmeer abfangen, zurück nach Afrika
Die Verständigung auf die „ Ausschiffungsplattformen“wurde dann auch gleich als „ Trendwende“verkauft – allerdings nach wie vor ohne konkreten Plan. Das Ziel lautet: Flüchtlinge sollen im Mittelmeer abgefangen und zurück nach Nordafrika gebracht werden. Allerdings: Die in Frage kommenden Länder sind von der Idee mäßig bis gar nicht begeistert, viele haben bereits abgewunken.
Italien will das DublinVerfahren völlig auflösen, dazu finden sich in den Schlusserklärungen des Gipfels aber nur schwammige Formulierungen mit dem maximalen Zugeständnis, langfristig an Reformen zu arbeiten. Italien drohte deshalb mit einem Veto sämtlicher Beschlüsse.
Rettet sich Merkel mit bilateralen Verträgen?
Merkel kämpfte unterdessen um bilaterale Verträge, mit denen sie ihre Kanzlerschaft erhalten und den Sieg über die CSU davontragen will. Und sie dürfte einen Erfolg verbuchen, einige Länder, wie etwa Frankreich und Ungarn, stellten in Aussicht, Flüchtlinge zurückzunehmen. Realpolitisch hat dies im Fall Ungarns wenig Auswirkungen: Das Land hat kaum Asylwerber registriert, daher gibt es auch kaum Menschen, die wieder dorthin zurück müssten.