Heiteres Bezirksgericht
Bei einem Tierpräparator erschien die 58- jährige Theresia T. und stellte eine Schachtel mit ihrem verstorbenen Liebling auf den Ladentisch.
„ Können S mir den Kanarienvogl ausstopfn?“, fragte sie mit belegter Stimme.
„ Natürlich“, versicherte der Präparator. „ Lassen S eahm nur da. Wia wolln S eahm denn habn, werte Dame? Soll er vielleicht auf an Sprießerl sitzn? Oder wolln S eahm auf an dünnen Faden im Zimmer aufhängen, damit ma glaubt, er fliagt no? Soll er des Kopferl a bisserl schief halten, oder soll er vielleicht grad beim Futterschalerl hockn?“
Durch die Aufzählung der vielen Möglichkeiten wurde Frau T. von der Erinnerung übermannt. Sie sank auf einen Stuhl, bedeckte das Gesicht mit der Hand und flüsterte: „ Machn S es, wia S glaubn. I kann jetzt net übern Pipsi redn. Nur naturgetreu sollt er halt sein.“
Pietätvoll schweigend trug der Präparator die Schachtel in seinen Arbeitsraum und geleitete sodann Frau T. zur Tür mit der Aufforderung, in einer Woche wiederzukommen.
Sieben Tage später erschien Theresia T. schon bedeutend getrösteter, und der Präparator stellte ihr den ausgestopften Vogel, den er in einen Eloxalring gesetzt hatte, auf den Ladentisch.
„ Des is net mei Pipsi!“, erklärte Theresia T. nach einem erstaunten Blick. „ Mei Vogerl war vül dicker! Des war net so a verhungerts Krewegerl! Und überhaupt, die Augn, de Farb! Na, na, da müassn S zwa Viecher vertauscht habn!“
„ I hab nur den an Kanarienvogl in der Arbeit ghabt“, erwiderte der Meister. „ Beim Präpariern wird so a Viech immer etwas schlanker. Und so lang er glebt hat, hat er natürlich aa kane Glasaugn ghabt. Des täuscht halt alles jetzt a bisserl, gute Frau!“
Die gute Frau weigerte sich entschieden, den Vogel zu übernehmen. Der Präparator musste auf Bezahlung des Arbeitspreises klagen.
Vor Gericht bot Frau T. vier bekannte Frauen als Zeuginnen an, die bestätigen sollen, dass der ausgestopfte Kanarienvogel keinesfalls mit ihrem Pipsi identisch sei: die Nachbarin, die beste Freundin, die Nichte und die Putzfee. Zur Ladung dieser Zeuginnen wurde die Verhandlung vertagt.