Asyl- Kompromiss: EU beschließt „ Anlandezentren“
Kein D urchbruch in Brüssel, Aber schBrfere MAßnAhmen Neuer Umgang mit Flüchtlingsbooten Freiwillige Hotspots auf EU- Boden
BRÜSSEL. Es war eine Marathonsitzung, die die Staatsund Regierungschefs in Brüssel absolvierten. Bis halb fünf Uhr in der Früh rang Europa um einen gemeinsamen Weg in der Migrationspolitik. Herausgekommen ist ein Kompromiss, den nun alle als großen Fortschritt feiern. Der allerdings noch große Lücken aufweist. Denn einerseits ist die Flüchtlingsaufnahme als „ freiwillig“festgeschrieben, andererseits finden sich keine Länder für die geplanten Asylzentren außerhalb Europas. A
uf den ersten Blick sehen die Gipfelbeschlüsse vielversprechend aus: eine klare Linie, eine gemeinsame europäische Lösung. Doch bei näherer Betrachtung wird klar, dass es sich maximal um Willensbekundungen handelt, die mit der Realität wenig zu tun haben.
Geeinigt haben sich die EU- Staaten etwa auf die Schaffung von Flüchtlingszentren, die nun „ Ausschiffungsplattformen“oder „ Anlandezentren“heißen, außerhalb der EU. Migranten sollen künftig im Mittel- meer abgefangen und zurück in diese Camps in Nordafrika gebracht werden. Das Problem ist nur: Es gibt kein Land, das solch ein Lager bei sich errichten will. Marokko hat bereit dezidiert „ Nein“gesagt, ebenso Tunesien. In Libyen tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg, außerdem machte die Regierung bereits klar, dass sie Aufnahmelager ablehne. Auch Algerien, Ägypten und Albanien winkten schon ab. Dennoch halten das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration ( IOM) solche Zentren unter bestimmten Bedingungen grundsätzlich für möglich.
Europa setzt wieder einmal auf Solidarität
Über den zweiten Beschluss freut sich vor allem Italien, das den Gipfel stundenlang blockiert hatte. Dabei geht es um die Frage der Verteilung der Flüchtlinge. „ Italien ist nicht länger allein“, so Regierungschef Giuseppe Conte. Ob er sich noch länger freut, ist fraglich. Denn vereinbart wurden freiwillige Zentren für Asylwerber innerhalb der EU. Von dort sollen die Flüchtlinge freiwillig auf andere EU- Staaten verteilt werden. Die Union setzt also auf Solidarität, genau jenes Gut, das beim Thema Asyl schon bisher nicht vorhanden war in Europa.
Noch in der Nacht machte Bundeskanzler Sebastian Kurz deutlich, dass Österreich sich nicht an der Flüchtlingsverteilung betei-
ligen werde. Österreich habe bereits überproportional viele Menschen aufgenommen, so Kurz. Wenig später stellte Polens Premier Mateusz Morawiecki klar, dass auch er nicht daran denke, Migranten aufzunehmen. Er sei froh, dass es keine „ Zwangsumsiedlung“gebe. Diesem Beispiel werden wohl noch viele Staaten folgen.
Hilfs- Schiffe aus Küstenregion verbannen
In die Gipfelerklärung aufgenommen wurde auch ein von Österreich unterstützter Vorschlag von Malta, wonach Schiffe von Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer unterwegs sind, um Flüchtlinge zu retten, aus den libyschen Küstenregionen verbannt werden sollen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich mit den Ergebnissen des Gipfels zufrieden: „ Wir sind froh, dass es jetzt endlich einen Fokus auf die Außengrenzen gibt.“Die Einigung sei ein „ wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, so der Kanzler. Als eindeutige Siegerin dieses EU- Gipfels geht Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hervor. Sie stand wegen des innerdeutschen Regierungskrachs besonders unter Zugzwang. So manche wähnten sie schon am Abgrund, meinten ihre letzte politische Stunde hätte geschlagen. Doch wie so oft zeigte sich: Unter Druck läuft die deutsche Kanzlerin zur Höchstform auf. Dann, wenn die anderen müde und mürbe werden, dreht Angela Merkel erst so richtig auf. Sie kehrt nun mit einigen bilateralen Verträgen über die Rücknahme von Flüchtlingen nach Berlin zurück. Damit hat sie Innenminister Horst Seehofer deutlich gezeigt, wer in Deutschland das Sagen hat.
Die CSU rudert bereits zurück
Nicht ganz unbeteiligt ist daran auch Kanzler Sebastian Kurz – wenn auch wohl ungewollt. Denn dieser hatte betont, dass Österreich die Grenzen dichtmachen werde, falls Deutschland, so wie von Seehofer angekündigt, Flüchtlinge nach Österreich zurückschicken werde. Damit war der Anfang vom Ende des CSU- Plans eines nationalen Alleingangs we- gen der bevorstehenden Wahlen in Bayern eingeläutet.
Außerdem hat Merkel bilaterale Rückführungsabkommen für Migranten mit Athen und Madrid abgeschlossen. Und so rudert die CSU bereits zurück.
Der Vize- Chef der bayerischen CDU- Schwesterpartei und EVP- Fraktionschef im Europaparlament, Markus Weber, twitterte: „ Der EUGipfel hat einen großen Schritt hin zu einer besseren Migrationspolitik gemacht. Europa steht für Humanität gegenüber Menschen in Not, Entschiedenheit im Außengrenzenschutz und bei der Bekämpfung illegaler Migration sowie für Solidarität untereinander.“