Aus der Balance?
Die Auseinandersetzung zwischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der freiheitlichen Regierungspartei muss als eine durchaus ernste Angelegenheit bewertet werden.
Zumal der Auslöser für den heftigen Konflikt zwischen dem Staatsoberhaupt und der FPÖ keineswegs trivial ist. Es geht dabei um die Rücktrittsaufforderung des EU- Abgeordneten Harald Vilimsky an den EU- Kommissionspräsidenten Jean- Claude Juncker nach dessen merkwürdigem Auftritt beim NATOGipfel vor sechs Tagen.
Ferndiagnosen über Junckers gesundheitlichen Zustand verbieten Anstand und ausreichend gesichertes Wissen über die Ursachen seines Wankens. Diese Regeln des Umgangs hat Vilimsky klar verletzt.
Andererseits sollte ein Mangel an Manieren noch nicht Anlass für eine Zurechtweisung des Staatsoberhaupts sein. Zumal es sich bei Vilimsky um einen politischen Nonvaleur handelt, der erst durch die Kritik des Bundespräsidenten einen Nennwert erhält.
Es liegt daher der Verdacht nahe, dass Alexander Van der Bellens Verdruss weniger mit Vilimsky, sondern mit der türkis- blauen Regierung insgesamt zu tun hat. Sollte dem so sein, wäre es angebracht, wenn der Bundespräsident die tieferen Ursachen seines Unbehagens genauer erklärt.
Die jetzt begonnene Festspielsaison mit den dazugehörenden feierlichen Reden böten ausreichend Gelegenheit dazu. Wenn der erste Mann im Staate den Eindruck hat, dass im Land einiges aus der Balance zu geraten droht, sollte er es uns wissen lassen.