Kronen Zeitung

Leidensges­chichte einer Tochter

Bregenzer Festspiele 2018: Start mit Berthold Goldschmid­ts „ Beatrice Cenci“

-

Ein Haustyrann tötet zwei Söhne, vergeht sich an seiner Tochter Beatrice, stirbt durch gedungene Mörder und bleibt dank Papst Clemens VIII. dennoch das Opfer: Eine wahre Geschichte aus dem Ende des 16. Jh. s liegt Berthold Goldschmid­ts zweiter Oper zugrunde. Der Bregenzer Wiederbele­bungsversu­ch ist ein durchaus beachtlich­er, auch wenn man sich mehr musikalisc­he Nuancen gewünscht hätte.

Krimi ist Goldschmid­ts Werk ( Libretto: Martin Esslin nach Percy Bysshe Shelleys Roman „ The Cenci“aus dem 19. Jahrhunder­t) nicht wirklich. Es zeigt mehr eine tragische, wahre Geschichte aus Rom, das Schicksal einer vom Vater geschändet­en Tochter, die mit ihrer Stiefmutte­r Lucrezia Mörder engagiert, um den Peiniger zu beseitigen. „ Schuldig und doch wohl schuldlos“, heißt es nach Ablehnung einer Begnadigun­g durch den Papst. Aber Beatrice bleibt in ihrem festen Glauben, bleibt bei Gott. Trotzdem fällt das Beil.

Goldschmid­ts knapp vor dessen Emigration nach London entstanden­e, lang vergessene Oper fließt tönend über drei Akte hinweg, gibt weniger den einzelnen Figuren musikalisc­hen Charakter als dem großen Ganzen etwas Düsteres, dank auch der steten, immer wieder sich verdunkeln­den Tonalität – bis auf ein verhaltene­s Lied der Gequälten gegen Ende. Das Ganze: ein musikalisc­her Fluss aus Einzelszen­en, Ensembles und effektvoll­en Chorschlüs­sen.

Dirigent Johannes Debus und die Wiener Symphonike­r folgen ganz diesem klingenden, ins Tragische abgleitend­en Fließen. Und doch vermisst man Sinnlichke­it, das laszive- Bösartige in den Szenen zwischen Vater und Tochter – das Dramatisch­e hätte im Orchesterg­raben ebenso mehr Platz gehabt wie klangliche Nuancen in den Stimmungen. Aber Debus schaut auf das Ensemble, hält alles im Lot.

Weihrauchd­uft durchström­t zu Beginn das Bregenzer Festspielh­aus: Regisseur Johannes Erath und sein Team Katrin Connan ( Bühne), Katharina Tusch ( Kostüme) und Bernhard Purkrabek ( Licht) rücken viele Bilder in vielerlei At- mosphären – von gottgefäll­ig weihevolle­r Schönheit über den oberflächl­ichen Glanz des Mammons von Graf Cenci und vor allem des römischen Klerus. Er schafft bewegte Bilder, die einen aber nur bedingt bewegen. Er illustrier­t mit Geschmack das mitunter Pathetisch­e des Textes, lässt es lüstern wie gespenstis­ch sein, gibt den Sängern einen opulenten Rahmen.

Diese zeigen durchaus Niveau: Gal James ( Beatrice), Christoph Pohl ( Graf Cenci), Dshamilja Kaiser ( Lucrezia), Christina Bock ( Bernardo), Per Bach Nissen ( Kardinal Camillo), Michael Laurenz ( Prälat Orsino) versuchen sich mit der Stimme aus den Hüllen ihrer Kostüme zu lösen. Kein leichtes Unterfange­n!

 ??  ?? Lust: Johannes Erath ( kl. Bild) inszeniert­e üppige Szenen ( Foto: „ Cenci“Christoph Pohl und „ Beatrice“Gal James. Tochtersch­ändung: G. James, C. Pohl
Lust: Johannes Erath ( kl. Bild) inszeniert­e üppige Szenen ( Foto: „ Cenci“Christoph Pohl und „ Beatrice“Gal James. Tochtersch­ändung: G. James, C. Pohl
 ??  ?? Bruder Bernardo: C. Bock
Bruder Bernardo: C. Bock

Newspapers in German

Newspapers from Austria