Der Pilger
Mein Freund Eberhard hat sich auf dem Weg gemacht. Ein Leben lang hat er gearbeitet, Kinder großgezogen und mit den Enkeln gespielt. Er hat im Leben etwas bewegt. Seine Verabschiedung in die Pension war ein großer Moment. Jetzt ist er losgegangen. Ganz allein. Er ist schon weit gekommen. Weit über 1000 km zu Fuß von Eisenach, der Stadt Martin Luthers und Johann Sebastian Bachs, nach Assisi, der Wirkungsstätte des Heiligen Franziskus, führt ihn sein Weg.
In den Alpentälern musste er sich vor einer Kuhherde in Sicherheit bringen, am Hauptkamm des Apennin vor zwei Schlangen. Tagelang ist er abgeschnitten von der Welt. In den Wäldern Umbriens sind die Ängste, die uns täglich begleiten, weit weg. Da treiben weder Donald Trump noch Wladimir Putin ihren Spuk, da jagt nicht eine Aufregung die andere.
Doch jeder Weg hat ein Ende. Mein Freund wird seine Frau wieder in die Arme schließen, seine Enkelinnen hochheben und durch die Luft wirbeln. Doch auch die Welt mit allen ihren Schattenseiten wird über ihn hereinbrechen. Aber seine Welt – die Welt, die er sich ergangen hat auf seinem Pilgerweg – wird ihm niemand mehr nehmen können.
Im 37. Psalm heißt es: „ Befiehl dem Herrn deine Wege, und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.“Sich auf den Weg machen, einfach losgehen, im Vertrauen, dass alles gut gehen wird, das ist eine Erfahrung, die ich uns allen wünsche. Heute ist eine gute Zeit dafür, damit zu beginnen.