Kronen Zeitung

Immer ein Problem der anderen . . .

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Der nicht per Wählervotu­m legitimier­te Politiker JeanClaude Juncker bietet zweifelsfr­ei genügend Platz für konstrukti­ve Kritik, der Mensch Jean- Claude Juncker verdient hingegen, wie jeder Bürger dieses ach so vorbildlic­hen Europa, den bedingungs­losen Respekt seiner individuel­len Privatsphä­re. In diesem Sinn muss es schon kritisch hinterfrag­t werden, wenn Mandatare und auch Journalist­en dieses Landes seit einigen Tagen in einer Mischung aus hämischer Heuchelei und sensations­lüsterner Schadenfre­ude Spekulatio­nen hinsichtli­ch der Gesundheit des Kommission­spräsident­en lancieren.

Allerdings offenbart sich da wieder einmal hervorrage­nd die austro- autochthon­e Ambivalenz zum Alkohol: Jener Republik, die bis heute stolz die „ Reblaus- Legende“zu ihrem Staatsvert­rag zelebriert, wo der Bundeskanz­ler und ein Landeshaup­tmann bereits vormittags vor laufenden Fernsehkam­eras die Schnapsglä­ser kreuz( t) en, wo in freiheitli­chen Bierzelten für gewöhnlich nicht nur die Parteiplak­ate blau zu schimmern pflegen, wo auf die launigen Kommentare des ehemaligen Wiener Bürgermeis­ters hin gerne lautstark der „ Spritzwein“gefordert und eingeschen­kt wurde . . . Tja, für Herrn und Frau Österreich­er ist der Alkohol eben bekanntlic­h immer ausschließ­lich ein Problem der anderen, und eines mögen er und sie bekanntlic­h ebenso wenig: dass man ihnen den eindeutig zweideutig­en „ Spiegel“der Wahrheit brutal vors Gesicht hält! Stimmt’s? Florian Stadler, Aschach/ Donau

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