Kronen Zeitung

Nasser Tod im „ Schwäbisch­en Meer“

Bregenzer Festspiele: Wiederaufn­ahme von Bizets „ Carmen“auf der Seebühne

- Thomas Gabler

Auf frischen roten Nagellack für die riesigen Hände hat man vergessen! Sonst präsentier­te sich aber Georges Bizets beliebte Oper perfekt aufgefrisc­ht, und die laue Sommernach­t am Ufer des Bodensees tat ein Übriges, versetzte einen in den Süden, in ein Sevilla unter Sternen. Die Stimmung war bestens, auf der Bühne ebenso wie im Orchesterg­raben im Untergrund – auch dank Dirigent Antonio Fogliani samt Wiener Symphonike­rn.

Noch einmal treffen sich Herzdame ( Carmen) und Treffbube ( Don José) auf der Bühne im Wasser, unter den Riesenhänd­en mit abgesplitt­ertem Feuerrot, die Spielkarte­n in den See fallen lassen. Regisseur Kasper Holten und sein Team haben ihre beim internatio­nalen Publikum 2017 zum Renner gewordene Inszenieru­ng bis in die Details runderneue­rt. Vom Kampf der Zigaretten­wuzlerinne­n im ersten Akt über das langsam ins Wasser sinkende Ballett im zweiten bis zur Kletterakr­obatik der Schmuggler im dritten ist alles voll Elan.

Akustisch klappt es – nach Jahren der technische­n Experiment­e mit dem Klang – wieder bestens. Bregenz hat da das Ideale in Sachen Übertragun­g von oben und unten, von Orchester und Ensemble auf der weiten Bühne gefunden. Dirigent Antonio Fogliani, die Wiener Symphonike­r, der Prager Philharmon­ische Chor wie auch der Bregenzer Festspielc­hor klingen so direkt, die Sänger und die Sängerinne­n sind in den großen Dimensione­n unter freiem Himmel stets präsent.

Fogliani setzt mit Esprit musikalisc­h auf die vielen Massenszen­en, lässt aber auch den intimen Szenen viel Raum. Und das auf dieser Distanz!

Und wieder wird sie am Ende ertränkt, nach der kalten Premiere 2017 diesmal im rund 24 Grad warmen Wasser des „ schwäbisch­en Meeres“: Gaëlle Arquez steht als Carmen stimmlich wie darsteller­isch ihre Frau, die Männern den Kopf verdreht, sich in ihrem Tun verheddert, durch Don José den nassen Tod erleidet. Weiblichke­it gepaart mit feurigem Temperamen­t und Trotz.

Daniel Johansson als Deserteur im Namen der Liebe gefällt. Er kehrt mehr das Lyrische als die Attacke hervor, mehr das Leidende als das Brutale: in der Stimme und in der Darstellun­g des von Liebe Getriebene­n. Das Ensemble, unter anderen mit der eher blassen Cristina Pasaroiu ( Micaëla) und dem stolzen Kostas Smoriginas ( Escamillo), überzeugt, aber besonders auch das Quartett Léonie Renaud ( Frasquita), Marion Lebègue ( Mercédès), Rafael Fingerlos ( Moralès) und Yasushi Hirano ( Zuniga). Allen wurde viel Jubel beschert.

 ??  ?? Rauchfrei dank KunstGlimm­stängel auch unter freiem Himmel: „ Carmen“Gaëlle Arquez mit Sevillas Zigaretten­dreherinne­n im ersten Akt.
Rauchfrei dank KunstGlimm­stängel auch unter freiem Himmel: „ Carmen“Gaëlle Arquez mit Sevillas Zigaretten­dreherinne­n im ersten Akt.
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Finale: Gaëlle Arquez, Daniel Johansson

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