Stachel im Leid des Schreckens
Salzburger Festspiele: „ Ouverture spirituelle“mit Penderecki
Die „ Ouverture spirituelle“der Salzburger Festspiele hat sich als „ Vorlauf“eine Woche vor dem offiziellen Beginn zur festen, begeistert aufgenommenen Größe etabliert. Diesmal mit Krzysztof Pendereckis „ Lukaspassion“in der Felsenreitschule und Kent Nagano am Pult des Orchestre symphonique de Montréal. Jubel.
Die gut 15 Minuten währende, einhellige Zustimmung gipfelte – als Penderecki auf die Bühne kam – in Standing Ovations. Seine „ Lukaspassion“, 1966 uraufgeführt, ist in den Klängen und Gesängen, im Wispern und im Schreien, im Klagen und im Leiden ganz und gar nicht „ einhörsam“, sozusagen folgsam. Und sie haben dennoch eine bezwingende Magie im Mysterium der Erlösung. Es herrscht keine verblendete Schönheit der Verzweiflung, sondern ein unentwegter Stachel im Schauder des Schreckens. Nichts hat hier die Milde eines vorgeschobenen musikalischen „ Leidensgerichts“. Gewiss, die „ Lukaspassion“ist ein Schlüsselwerk in der geistlichen Musik des 20. Jahrhunderts und deshalb in jeder Interpretation immer wieder neu zu befragen.
Manchmal wäre ein wenig mehr Schärfe und Zuspitzung, ein Feuer der Verzweiflung in der Leidensgeschichte Jesu durchaus vorstellbar gewesen. Obwohl das MontrealOrchester eine recht akkurate Präsenz hatte. Das einige Jahre zuvor entstandene „ Stabat mater“fügte Penderecki in diese Passion ein, es hat vor dem Psalm- Finale eine so beschwörend bezwingende, irisierende Entrücktheit, dass es einem in Kopf und Knochen fährt.
Großartig der Philharmonische Chor Krakau ( einstudiert von Teresa Majka- Pacanek) und hinreißend, ja grandios der Warsaw Boys’ Choir, den Krzysztof KusielMoroz in Form brachte. Die Solisten – die Sopranistin Sarah Wegener, der Bariton Lucas Meachem ( ein Versprechen!) und der Bass Matthew Rose boten eine inständig impulsive Hingabe. Kent Nagano war lange Zeit nicht bei den Salzburger Festspielen, er wird noch mit Henzes „ Bassariden“präsent sein. Das ist sehr gut so.