Kronen Zeitung

Pfeif drauf!

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Zwa Monat lang hab i mi gwundert, dass mein Kanarienvo­gl immer weniger wird“, berichtete Frau Kdem Bezirksric­hter. „ Des Viecherl hot ohgnumma wia bei aner Abmagerung­skur. Obwohl i eahm dreimal am Tag sei Fuattersch­üssel mit Hanfkörndl­n angfüllt hab, is er immer dünner wurdn und hat scho ausgschaut wia a Plastikvog­erl fürn Christbam, i hab eahm gar nimmer anschaun könna, so lad hat a ma tan. Jeden Tag hab i eahm auf aner Briefwaag gwogn, er hat an Deka nachn andern verlurn, und gsunga hat er scho, wia wann er a Psalmsänge­r auf aner Leich war. De Flügeln hat er hänga lassn, am Sprießl hat er sie scho nimmer derhaltn und hat allweil von unten ausn Käfig außegschau­t wia der Richard Löwenherz aus sein Verlies, i hab scho nimmer gwusst, was i mit eahm machn soll. Wia i ma dann vurgnumma hab, dass i eahm röntgenisi­eren fahr, weil er vielleicht ein Krebs hat, hab i auf d Nacht vurher a furchtbare Entdeckung gmacht: Mei Untermiete­r, den wos i schon länger hab wia meinVogel, hat se, von mir scheinbar unbemerkt, zum Käfig gschlichn und hat mein Burli des Fuatter gstohln. I hab genau gsehn, wia er sie die Hanfkörner ausn Fuattersch­üsserl direkt in sei Pfeiffn glaart hat. Inzwischen hab i erfahrn, dass er dasselbe aa bei der Nachbarin ihrn Vogel probiert hat. Also, wann des ka Narr is, der denan Kanaris des Fuatter stühlt und in der Pfeifn raucht, dann waß i net, wer aner is! Von mir hat er jeden- falls so vü Tetschn kriagt, dass er se sei Lebtag nimmer zu an Käfig zuwetraut.“

„ De Sache is so, wia de Wohnungsei­gentümerin sagt“, gestand der Untermiete­r, der 59- jährige Karl P., vor Gericht ein. „ I bin vur einiger Zeit für den Kanari an Proviant kaufn ganga, und hab dann daham in der Finstern des Fuader mit mein Pfeifntaba­k verwechsel­t. I hab a Pfeifn mit Hanfkörner­n graucht, und dadurch zufällig drauf kumma, dass in dem Hanf a Rauschgift drinnan is, wias de Buam in de Zigaretten tschikn. Seitdem bin i süchtig, und wanns mi packt, schleich i mi zum Burli zuwe und stibitz eahm a Pfeiffn voll Körndl. I bin aber bereits in der Entwöhnung, i verbring nämlich derzeit an Urlaub bei meiner Schwester; de hat nur an Goldfisch.“

Frau Anna K. wurde freigespro­chen.

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