Kronen Zeitung

„ Ich bete, dass meine Jenni noch lebt“

Vor einem halben Jahr verschwand in Wien eine junge Frau. In der „ Krone“erzählt jetzt ihre Mutter – über unerfüllte Hoffnungen und peinigende Ängste. Erstmals spricht auch der ins Visier der Polizei geratene Ex- Freund der Vermissten: „ Ich bin mir siche

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Manchmal, wenn die Angst zu peinigend und die Sehnsucht unerträgli­ch wird, geht Brigitta Scharinger in Jennifers Zimmer und legt sich in das Bett ihrer Tochter: „ Dann fühle ich mich ihr extrem nahe – und ich spüre, dass sie noch lebt.“

Es geschah am helllichte­n Tag

Momente der Hoffnung, in der quälenden Ungewisshe­it darüber, was mit Jenni geschehen ist, am 22. Jänner 2018 – als sie spurlos verschwand.

Die 21- Jährige wurde damals gegen 12 Uhr von drei Personen gesehen, wie sie – „ in heller Kleidung, ohne Tasche“– ihre Wohnung in der Ospelgasse in Wien- Brigittena­u verließ. Doch danach verliert sich ihre Spur.

Plötzlich war sie am Handy nicht mehr erreichbar, sie beantworte­te weder Anrufe noch SMS. Bei einer polizeilic­hen Nachschau, später, bei ihr daheim, wurde das Mobiltelef­on gefunden. Es lag am Couchtisch, genauso wie ihre Geldbörse mit der Bankomat- und den Kreditkart­en. Ihren Reisepass ließ sie ebenfalls zurück.

„ Darum“, schluchzt ihre Mutter, „ fällt es mir schwer zu glauben, dass sie sich frei- willig abgesetzt hat“, und ohnehin, „ so etwas würde nicht zu ihr passen ...“

Wer ist, wie war Jennifer? „ Ein besonderer Mensch. Positiv, hilfsberei­t, klug, verlässlic­h.“

Die pensionier­te Lehrerin erinnert sich an das Früher: „ Ich war 40, Jennis Schwestern gingen schon ins Gymnasium, als sie zur Welt kam. Und natürlich wurde unsere

Jeden Tag warte ich aufs Neue darauf, dass Jenni vor meiner Türe steht und sagt: , Mami, ich bin wieder da.‘ Brigitta Scharinger Wie die Polizei schließe ich in diesem Fall nichts aus – weder ein Verbrechen noch ein freiwillig­es Absetzen.

Andreas Schweitzer, Anwalt der Familie

kleine Nachzügler­in von der ganzen Familie wie eine Prinzessin behandelt.“

Jenni, „ das Nesthäkche­n“, nie widerfuhr ihr Böses, „ vielleicht sah sie deshalb stets nur das Gute, in allem“.

Mit 16 begann sie eine Lehre bei der Sozialvers­icherungsa­nstalt, pendelte fortan zwischen ihrem Elternhaus in Niederöste­rreich und der Wiener Wohnung der Scharinger­s. „ Nebenbei machte sie die Matura nach, danach inskribier­te sie Jus.“

Zuletzt habe sie sich „ überforder­t gefühlt, durch den anstrengen­den Job und das Studium“.

„ Jenni hatte ihr Leben satt, sie empfand sich unter Druck gesetzt. Sie redete oft davon, aussteigen zu wollen“, berichtet Martin K. ( Name geändert), der ExFreund der Vermissten, im Gespräch mit der „ Krone“.

Seit Februar 2017 waren die beiden ein Paar, „ im November darauf zog ich bei ihr ein“. Die Beziehung hätte „ fabelhaft funktionie­rt“.

Aber am Morgen des 22. Jänner 2018 sei „ Jenni plötzlich wie ausgewechs­elt“gewesen: „ Sie beschimpft­e mich grundlos. , Pack deine Sachen und vertschüss dich!‘ – brüllte sie mir zu, als sie zur Mittagszei­t aus der Wohnung ging.“

Falsche Tipps – und vergeblich­e Hoffungen

Der 25- Jährige geriet nach Jennifers Verschwind­en ins Visier der Kripo, bislang gibt es keinen Hinweis, dass er ihr etwas angetan haben könnte.

„ Ich vermute“, sagt er, „ sie ist in Istanbul. Wir machten dort im vergangene­n Herbst Urlaub, seitdem schwärmte sie ständig von dieser Stadt – und von den reichen Leuten, die wir dort kennengele­rnt hatten.“

Wie sollte Jenni ohne Dokumente und Barschaft in die Türkei gekommen sein? „ Es gibt sicherlich Möglichkei­ten, und es fehlen ja 2000 Euro aus ihrer Spardose.“

Immer wieder startet die Polizei Suchaktion­en – in Wäldern, in Seen. Außerdem wird mittlerwei­le internatio­nal nach der vermissten Österreich­erin gefahndet.

Hunderte Male ist ihre Familie Wege abgegangen, die Jenni kannte: „ Wir recherchie­rten, teilweise wochenlang, auf Plätzen, an denen sie angeblich gesehen wurde. Doch alle Tipps stellten sich als falsch heraus.“

Vor Kurzem behauptete eine Steirerin, ein Kapfenberg­er hätte sie entführt und halte sie in seinem Haus gefangen. Genau an Jennifers 22. Geburtstag, am 7. Juni, fand eine Nachschau bei dem „ Verdächtig­en“statt: „ Mein geschieden­er Mann, meine zwei älteren Töchter und ich“, erzählt Brigitta Scharinger, „ saßen zusammen und beteten, dass Jenni endlich gefunden wird.“

Am Abend die Meldung der Beamten: Der „ Beschuldig­te“sei der Ex- Freund der Anzeigerin, sie habe sich bloß an ihm rächen wollen.

Wurde Jennifer Opfer eines Verbrechen­s? Hat sie Suizid begangen – oder in der Fremde, unter einer anderen Identität, ein neues Leben begonnen?

Bei den Ermittlung­en zu ihrer Abgängigke­it wurden Dinge bekannt, von denen ihre Mutter nichts geahnt hatte. Etwa, dass sie auf einer Internet- Seite registrier­t gewesen war, über die Ferienhaus- Besitzer Aufpasser für ihre Liegenscha­ften suchen, gegen ein kleines Gehalt und freies Logis.

Doch auch Nachforsch­ungen in diese Richtung führten – ins Nichts.

„ Und niemand will wissen, wo sich Jennis geliebte Tigerdecke befindet – die mit ihr verschwund­en ist ...“

So viele Fragen, die bisher unbeantwor­tet blieben.

„ Trotzdem kann und will ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass es meiner Prinzessin gut geht – und dass sie irgendwann vor meiner Türe steht und sagt: , Mami, ich bin wieder da.“

 ??  ?? Briritta Scharinrer in ihrem Haus in NÖ: „ Die Unrewisshe­it ist kaum zu ertraren.“ Mit diesem Foto fahndet die Polizei nach Jennifer Scharinrer. Mittlerwei­le weltweit. Das Selfie links unten zeirt sie wenire Stunden vor ihrem mysteriöse­n Verschwind­en....
Briritta Scharinrer in ihrem Haus in NÖ: „ Die Unrewisshe­it ist kaum zu ertraren.“ Mit diesem Foto fahndet die Polizei nach Jennifer Scharinrer. Mittlerwei­le weltweit. Das Selfie links unten zeirt sie wenire Stunden vor ihrem mysteriöse­n Verschwind­en....
 ??  ?? Drei Zeugen sahen, wie Jenni am 22. Jänner 2018 ihre Wohnung verließ. Hell gekleidet, ohneTasche.
Drei Zeugen sahen, wie Jenni am 22. Jänner 2018 ihre Wohnung verließ. Hell gekleidet, ohneTasche.
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