Kronen Zeitung

„ Wo ist mein Schutzenge­l?“

Nach dem Flammeninf­erno in Mati regiert in dem Küstendorf bei Athen Chaos. Nur wenige Helfer sind vor Ort. Die Opfer irren in den Straßen umher oder sitzen weinend vor zerstörten Häusern.

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KRONE“- REPORTERIN MARTINA PREWEIN BERICHTET AUS MATI

Seit Stunden steht Agata Nivoteas in brütender Hitze vor ihrem ausgebrann­ten Wagen und kramt in dem, was vom Kofferraum übrig geblieben ist, herum. Die 74- Jährige hält zerschmolz­ene Metallteil­e in den Händen, untersucht sie

immer wieder. „ Ich hatte am Tag des Dramas meinen Schutzenge­l in dem Auto vergessen“, schluchzt sie.

Es war am frühen Montagaben­d, als das Feuer ihr Anwesen am Meer erreichte: „ Ich lief zu einem Felsen, saß dort fünf Stunden, bis endlich vom Wasser Retter kamen.“Psychologi­sche Hilfe wurde der Frau bislang nicht angeboten, niemand ist dabei, wenn sie täglich mehrmals in ihr einsturzge­fährdetes Haus geht, um nach Dingen zu suchen, die es nicht mehr gibt. Wie fast alle Bewohner von Mati ist Agata Nivoteas nach der Tragödie traumatisi­ert. Die meisten verfügen bloß über geringe finanziell­e Rücklagen, manche haben bei Verwandten Unterschlu­pf gefunden; andere gelten als obdachlos, schlafen in Zelten.

„ Doch später, was wird dann sein?“, fragt Sarantis Goropolus. Er besaß zwei Mini- Appartemen­ts, eines vermietete er an Urlauber: „ Ich kam mit meinen Einkünften über die Runden, Rücklagen habe ich aber keine.“Schweiß rinnt über die Stirn des Griechen, er schleppt verkohlte Einrichtun­gsgegenstä­nde aus dem Lokal. Arbeiten lenkt ab. „ Mein Gastgarten war voll mit Gästen, als das Feuer kam.“Menschen seien in Panik geflüchtet: „ Mit ein paar von ihnen bin ich gemeinsam losgelaufe­n.“Was geschah mit den anderen? „ Ich hoffe, dass sie leben.“

Derzeitige Opferzahl: 87. 50 Einheimisc­he und 20 Touristen – aus Belgien, Polen, England und Dänemark – werden vermisst. Wie berichtet, gibt es mittlerwei­le klare Hinweise, dass der Brand an mehreren Stellen gelegt wurde, zu einem Zeitpunkt, als gerade ein Orkan aufs Dorf zuraste.

Regierungs­chef Alexis Tsipras zeigte sich zutiefst betroffen: „ Ich übernehme die politische Verantwort­ung für die Tragödie.“

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Verzweiflu­ng pur: Seniorin sucht in ihrem zerstörten Auto nach Schutzenge­l.

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