Kronen Zeitung

Tattoo- Kunst im Visier der Justiz

Rechtliche Haftung wie ein Mediziner: Das umstritten­e Urteil des OGH sorgt für Verunsiche­rung bei Österreich­s Tätowierer­n – die Körperküns­tler fürchten um ihre Zukunft.

- KERSTIN WASSERMANN

Schon der Mann aus dem Eis hatte sie. An der Gletscherm­umie Ötzi konnten von den Forschern mehr als 60 Tattoos festgestel­lt werden – vermutlich mit Kohlepulve­r tief in die Haut gebracht.

Der Trend zur Körperkuns­t ist auch nach 5000 Jahren ungebroche­n. Kaum ein Star, der keine Tätowierun­g blitzen lässt. Doch das jüngste OGH- Urteil – eine Kärntnerin erstritt sich trotz unterschri­ebener Einwilligu­ngserkläru­ng Schadeners­atz ( siehe Kasten) – könnte die Tattoo- Branche mit ihren rund 75 Studios und 600 Künstlern in Österreich verändern.

„ Sie alle arbeiten europaweit auf allerhöchs­tem Niveau. Und ein trauriger Einzelfall bringt alles in Misskredit“, ärgert sich Bundesinnu­ngsmeister­in Dagmar Zeibig. Schon jetzt setze man auf volle Informatio­nen und beste Hygienesta­ndards. Aber kein Tätowierer könne die gleiche Haftung für gesundheit­liche Auswirkung­en übernehmen wie ein Arzt.

„ Die Aufklärung­sarbeit, die er zu leisten hat, wird immer umfangreic­her. Und auch wenn der mündige, erwachsene Kunde allem zustimmt, bleibt für ihn nach dieser Gerichtsen­tscheidung ein Risiko“, erklärt Zeibig.

Auch Erwin Czesany von der Wirtschaft­skammer ist misstrauis­ch: „ Es ist bedauerlic­h, dass die Gerichte nicht überzeugt werden konnten. Im Zweifelsfa­ll wird man nun vom Kunden ein ärztliches Attest verlangen müssen, dass er gestochen werden kann.“Lediglich ein „ Probestech­en“sei, wie zunächst befürchtet, zumindest kein Thema mehr.

So manchem könnte angesichts der neuen Büro- kratie die Lust auf ein schnelles Tattoo jedenfalls vergehen. Yvonne Reisinger, die bald das 20- Jahr- Jubiläum als Studiobesi­tzerin feiert, blickt misstrauis­ch in die Zukunft: „ Unsere Arbeit sollte ja Spaß machen – dem Künstler und dem Kunden. Aber so herrscht große Verunsiche­rung“– siehe Interview.

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Tattoo- Künstler sind verunsiche­rt: Sie sollen gleiche Aufklärung­sarbeit leisten wie ein Arzt
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So könnte Michelange­los David heute ausschauen – überall Tattoos Stars ohne Tattoos – das gibt es praktisch nicht mehr. Sophia Thomalla ließ sich ebenfalls „ verzieren“.
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