Tattoo- Kunst im Visier der Justiz
Rechtliche Haftung wie ein Mediziner: Das umstrittene Urteil des OGH sorgt für Verunsicherung bei Österreichs Tätowierern – die Körperkünstler fürchten um ihre Zukunft.
Schon der Mann aus dem Eis hatte sie. An der Gletschermumie Ötzi konnten von den Forschern mehr als 60 Tattoos festgestellt werden – vermutlich mit Kohlepulver tief in die Haut gebracht.
Der Trend zur Körperkunst ist auch nach 5000 Jahren ungebrochen. Kaum ein Star, der keine Tätowierung blitzen lässt. Doch das jüngste OGH- Urteil – eine Kärntnerin erstritt sich trotz unterschriebener Einwilligungserklärung Schadenersatz ( siehe Kasten) – könnte die Tattoo- Branche mit ihren rund 75 Studios und 600 Künstlern in Österreich verändern.
„ Sie alle arbeiten europaweit auf allerhöchstem Niveau. Und ein trauriger Einzelfall bringt alles in Misskredit“, ärgert sich Bundesinnungsmeisterin Dagmar Zeibig. Schon jetzt setze man auf volle Informationen und beste Hygienestandards. Aber kein Tätowierer könne die gleiche Haftung für gesundheitliche Auswirkungen übernehmen wie ein Arzt.
„ Die Aufklärungsarbeit, die er zu leisten hat, wird immer umfangreicher. Und auch wenn der mündige, erwachsene Kunde allem zustimmt, bleibt für ihn nach dieser Gerichtsentscheidung ein Risiko“, erklärt Zeibig.
Auch Erwin Czesany von der Wirtschaftskammer ist misstrauisch: „ Es ist bedauerlich, dass die Gerichte nicht überzeugt werden konnten. Im Zweifelsfall wird man nun vom Kunden ein ärztliches Attest verlangen müssen, dass er gestochen werden kann.“Lediglich ein „ Probestechen“sei, wie zunächst befürchtet, zumindest kein Thema mehr.
So manchem könnte angesichts der neuen Büro- kratie die Lust auf ein schnelles Tattoo jedenfalls vergehen. Yvonne Reisinger, die bald das 20- Jahr- Jubiläum als Studiobesitzerin feiert, blickt misstrauisch in die Zukunft: „ Unsere Arbeit sollte ja Spaß machen – dem Künstler und dem Kunden. Aber so herrscht große Verunsicherung“– siehe Interview.