Schuss ins Herz eines Trauerspiels
Salzburger Festspiele:„ Penth esilea“in J. Simons Regie mit S. H üller, J. H arzer
Barfuß, mit blauer Trainingshose, schlapprigem Hemd und Kaugummi kauend bedankte er sich beim Publikum für den freundlichen Applaus: Johan Simons lieferte die erste Schauspielpremiere im Salzburger Landestheater ab. Heinrich von Kleists „ Penthesilea“geriet in seiner Zweipersonenversion zu einer sprachlich keinen Moment überzeugenden und darstellerisch eintönigen Sache, die eher für eine Kleinbühne geeignet wäre.
„ Ich sage mich vom Gesetz der Frauen los“, sagt die Amazonenkönigin Penthesilea am Ende der zwei Stunden versuchter Selbstdarstellung des Duos Sandra Hüller und Jens Harzer. Das sollte wohl – wie so vieles in Vasco Boenischs neuer Textfassung – als Absage der Kriegerin an den modernen Feminismus klingen. Was schon alles ist, auch wenn sie den Ida auf den Ossa, also einen der berühmten griechischen Gipfel auf den anderen „ wälzen“will.
Johan Simons Version, eine Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, verzichtet auf den Chor der Amazonen, verzichtet auf Stimmungen, auf Kampfgeheul auf den blutgetränkten Schlachtfeldern des Trojanischen Krieges. Auf der Bühne mit breiter werdenden Lichtstreifen auf dem Boden der Rampe von Johannes Schütz herrscht Dunkel, sonst nichts: Darauf beginnt das Trauerspiel mit Gerenne im diffusen Hintergrund, gegenseitigem, fast hündischem Beschnuppern, Umhertänzeln …
„ Die Schäferstunde bleibt lange nicht mehr aus“, sinniert Achilles nah dem ersten Kampf mit Penthesilea ( nachdem er ihr sein Verlieren vortäuscht). Nach einer langweiligen ersten Stunde ist es dann so weit: Simons Inszenierung verweigert aber jede sinnliche Annäherung: Man beschnüffelt sich erneut, knabbert an Hälsen und Zehen. Absage an jegliche ( erotische) Anziehung, die wohl nicht einmal Kleist gedacht hatte. Die Lust auf An- näherung bleibt gebremst, die Liebesgöttin Aphrodite hatte wohl Ausgang.
„ Meisterschuss ins Herz des Glückes.“Der trifft Achilles im zweiten Kampf: Jens Harzer als Sohn der Nereiden, verliert nicht nur im Kampf mit „ Penthesilea“. Sein Held bleibt einförmig, möchte moderner Mann mit Gefühl sein, zeigt aber nur eine plakative Figur, die sich sprachlich und darstellerisch in Simons wenig überzeugendem Konzentrat verliert.
Jede Menge Vorschusslorbeeren gab es für Sandra Hüller. Ihre Penthesilea ist keinen Moment Tragödin im Kampf zwischen Räson und Gefühl. Sie bewältigt Diktion, Ausdruck, Gehabe und selbst Hysterie bei der sie übermannenden (!) Liebe kaum. Wo blieb die angekündigte Persönlichkeit? Das Herz ist tot in diesem Trauerspiel!