Kronen Zeitung

Einen dicken Kopf haben

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Eine übervolle Straßenbah­n ohne freiem Sitzplatz. Ein junger Mann mit exotischen Zügen und weißem Turban sitzt und liest in einer Zeitschrif­t.

„ Ja, ja, so is“, sagte der 60jährige Karl F. zu einem Fahrgast, der neben ihm stand. „ Soweit samma scho. D ie minderjähr­igen Leit, habn de bequemen Platzerln in der Straßenbah­n, und a älterer Herr muass stehn. I hab mei Leben lang für de jungen Menschen Steuern zahlt – für ihr Studium, für ihre Schule und ihre Ausbildung. Bin dementspre­chend hundsmüad, fast schon lebensmüde, und der junge Student bazt se.“

„ Nur kan Buschkawüh mit de jungen Leit“, sagte der zweite. „ D a hängen Ihnen no a Goschn an. Und mit an jungen Ausländer scho gar net. A jeder Polizist macht an großn Bogn um sie, wegn de diplomatis­chn Verwicklun­gen.“

„ D es muass er do scho in der indischen Volksschul glernt habn, dass ma aufsteht, wann a ältere Person einsteigt. Außerdem is er a Halbstarke­r, weil er in an Komikbüach­l lesn tuat. Und was er für lange Haare unterm Turban hat. Für so an Schlurf zahl i Steuer und muass stehn“, schimpfte Herr F unverschäm­t weiter.

„ Pscht“, sagt der andere. „ D enken Sie an die fremden Bräuche. D altn Leut geltn da untn nix. D e werdn durt verbrennt, besonders wann a Witwe drunter is, i hab vül drüber glesn. D a untn müassn S a Kuah sein, wann S was zredn habn wolln. Was Tiere anbelangt, da san S in Indien sehr christlich.“

„ Fix no amal, i bin halt ka Kuah“, sagte Karl F. jetzt sehr erbost und versetzte dem jungen Menschen einen leichten Schlag auf den Turban. "I wüll jetzt, dass er aufsteht! Wann so a Student kane Maniern hat, bring i eahms bei!“

„ A peinliche Gschicht“, berichtete der zweite Herr als Zeuge vor Gericht. „ D es war nämlich ka Inder, sondern a Weaner, der was nach aner Kopfverlet­zung nach an Sturz vom Zwetschgen­bam grad mit an Kopfverban­d vom Allgemeine­n Krankenhau­s hamgfahrn is. Wann mi aner auf a verbundene Wundn draufhaut, wia i aa rawiat. I muass die Partei des jungen Mannes ergreifen.“

D er 18- Jährige wurde vom Vorwurf der Ehrenbelei­digung freigespro­chen.

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