Dürfen die das?
Wenn der Nachbar zu laut ist, kann die eigene Wohnqualität ganz schön leiden. Der Weg vors Gericht ist dennoch nur in den seltensten Fällen zweckmäßig.
Experten sagen: Lärm ist mehr ein zwischenmenschliches denn ein akustisches Phänomen. Menschen nehmen Geräusche subjektiv wahr. Kurt Tucholsky brachte es einst treffend auf den Punkt: „ Der eigene Hund macht keinen Lärm – er bellt nur.“Allerdings lässt sich der Schallpegel schon auch objektiv messen, und es gibt Grenzwerte für alle möglichen Arten von Lärm: Baulärm, Fluglärm, Gastgewerbelärm, Industrielärm, Schienenlärm, Veranstaltungs- und Freizeitlärm oder „ ganz normaler“Straßenlärm.
Wenn es um Lärmbelästigung in den eigenen vier Wänden geht, bleibt die Sachlage oft diffus. Die Frage, ob etwas zu laut ist, wird im Streitfall vor Gericht nach der „ Ortsüblichkeit“beurteilt. Ein Begriff, der dehnbar ist – und jeweils im Einzelfall zu überprüfen ist. In der Stadt ist z. B. ein etwas höherer Lärmpegel zumutbar als auf dem Land.
Was ist zumutbar?
Bei der Frage etwa, ob Kinderlärm ortsüblich ist, spielt auch das Alter der Kin- der eine entscheidende Rolle. Das Schreien von Säuglingen und Kleinkindern gilt gemeinhin als ortsüblich. Anders allerdings, wenn ein Achtjähriger und sein zehnjähriger Bruder stundenlang schreiend durch die nachbarschaftliche Wohnung toben.
Auch lautes Hundegebell kann das ortsübliche Maß überschreiten. Zehn Minuten langes Gebell am Stück gilt als zumutbar. Bellt der Hund jedoch länger als 30 Minuten am Tag, ist möglicherweise von einer ortsunüblichen Lärmentwicklung auszugehen.
Zudem wird bei der Beurteilung einer möglichen Lärmbelästigung nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Häufigkeit und Dauer sowie die Tageszeit, in der die Geräuschbelästigung stattfindet, berücksichtigt.
Geschützte Ruhezeiten
Der Lärm bei einer nächtlichen Party mag über das ortsübliche Maß hinausgehen, selbst wenn es sich nur um eine einmalige Veranstaltung handelt. Generell ist bei nächtlicher Ruhestörung die Wahrscheinlichkeit, rechtlich etwas dagegen unternehmen zu können, höher als bei einer Lärmbelästigung am Tag.
In Wien gilt zwischen 22 und 6 Uhr die „ Nachtruhe“, eine Sonntagsruhe ist allgemein keine rechtliche Vorgabe mehr. Nachtruhe heißt: alle Geräusche sind auf Zimmerlautstärke zu reduzieren. In der Hausordnung oder im Mietvertrag können darüber hinaus weitere Ruhezeiten festgelegt sein.
Wenn der Nachbar nervt
Bei einer Ruhestörung durch den Nachbarn sollte man zuallererst das persönliche Gespräch suchen. Wenn das keine Früchte trägt, kann unter Hinweis auf die bestehende Lärmbelästigung entweder die Hausver- waltung oder ( im Fall einer Mietwohnung) der Vermieter direkt kontaktiert werden. Mahnbriefe werden an den Nachbarn verschickt, ernsthafte Konsequenzen sind allerdings nur dann zu erwarten, wenn seitens des Beschuldigten eine Mietvertragsverletzung vorliegt.
Bei einer nächtlichen Ruhestörung besteht immer auch die Möglichkeit, die Polizei zu rufen. Die Beamten werden die Situation vor Ort einschätzen und bemüht sein, zwischen beiden Parteien zu vermitteln.
Vor Gericht ziehen
In letzter Konsequenz kann beim zuständigen Bezirksgericht eine Klage auf Unterlassung des störenden Verhaltens durch den Nachbarn eingebracht werden. In derartigen Verfahren wird in der Regel ein Sachverständiger beigezogen, der mit Lärm- oder Schallmessungen die behauptete Lärmbeeinträchtigung misst und bewertet.
Die Klage kann auch gegen den Vermieter erfolgen, um eine Mietzinsminderung zu erwirken. Klagen gegen den Vermieter sind allerdings nur dann sinnvoll, wenn der Vermieter die Quelle der Lärmbelästigung auch beeinflussen kann – das wäre z. B. bei Straßenbauarbeiten vor dem Haus nicht der Fall.