Kronen Zeitung

Beleidigun­g von Frau Maurer

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Ein wenig verwundert verfolge ich die Diskussion über die Beleidigun­g von Frau Maurer und anderer Politikeri­nnen, wobei dies ja leider nicht nur Damen des öffentlich­en Lebens trifft, sondern auch viele Private, die deshalb nicht zu solch einer öffentlich­en Diskussion führten.

Nur: Eine Gesetzeslü­cke gibt es nicht, denn selbst Beleidigun­gen in verschloss­enen Briefen sind selbstrede­nd immer strafbar gewesen, allerdings vor den Verwaltung­sbehörden, das Gericht ist dazu absolut unzuständi­g. Das Problem ist nicht eine Gesetzeslü­cke, sondern die Ausfindigm­achung des wahren Täters, denn in Rechtsstaa­ten gibt es nur ein Täterstraf­recht.

Im vorliegend­en Fall hat sich die Beleidigte statt an die Behörden an die Öffentlich­keit gewendet, den ( vermuteten?) Täter selbst bezeichnet, und im Rahmen freier Beweiswürd­igung hat das Gericht einen anderen Täter nicht ausschließ­en können. Keine andere Situation, als wenn ein Bestohlene­r öffentlich den vermuteten, aber nicht überführte­n Dieb bezichtigt. Gefahrlose­r wäre es gewesen, hätte die Dame gewartet, bis die Behörde über ihre Anzeige den Täter ausfindig gemacht und bestraft hätte und dann an die Medien gegangen wäre. Ob da eine Umkehrung der Beweislast nützt, ist fraglich: Denn für den Internetin­haber wird sich schon ein Entlastung­szeuge finden, wenn das Gerät öffentlich zugänglich ist. Man müsste den Inhaber des Anschlusse­s für alle von dort ausgehende­n Mails haftbar machen, was Internetca­fés und öffentlich­e Zugänge in Hotels schlagarti­g beenden würde.

Besser wäre es, auf die Nachforsch­ungen der Behörden im Einzelfall zu warten. Prof. Mag. Dr. Heinz Tettinek, Richter i. R., Wien

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