Kronen Zeitung

Der Frust der Jugend

- christian. hauenstein@ kronenzeit­ung. at

Wenn die britische Premiermin­isterin Theresa May jetzt von notwendige­r nationaler Versöhnung spricht, weiß sie sehr gut, was sie sagt. Das Land ist wenige Tage vor der Abstimmung im Parlament am kommenden Dienstag gespalten in jene, die den Brexit herbeisehn­en, und in jene, die den Austritt aus der EU unbedingt noch verhindern wollen.

Der Riss ist tief, und er geht oftmals quer durch Familien. Es gibt Kinder, die nicht mehr mit ihren Eltern reden, Freundscha­ften, die zerbrochen sind.

In den politische­n Parteien sieht es kaum anders aus. Es gibt Linke, wie etwa LabourChef Jeremy Corbyn, denen die EU immer schon suspekt war, und die daher für den Austritt sind, und es gibt Linke, für die der Brexit eine Katastroph­e darstellt. Im konservati­ven Lager ist es nicht anders, auch die Torys sind gespalten. Und so paktieren linke und konservati­ve EUFreunde und linke und konservati­ve Brexit- Fans. Die Meinungen sind so festgefahr­en, dass es sogar schon Todesdrohu­ngen gegen Politiker gegeben hat.

Eines zeigt sich allerdings ziemlich deutlich: Der Frust der Jugend über den Brexit.

Viel von ihnen sind bei der Brexit- Abstimmung zu Hause geblieben, weil damals niemand mit einer Mehrheit für den Austritt aus der EU gerechnet hatte. Andere waren damals noch zu jung, um an der Volksabsti­mmung teilnehmen zu dürfen. Und so haben die älteren Briten, genauer gesagt, die älteren Engländer, die in ihrer Mehrheit für den Brexit sind, den Ausschlag gegeben. Mit dem Austritt aus der EU leben müssen aber naturgemäß vor allem die Jungen. Sie haben ihre Zukunft ja noch vor sich.

Und so ist es vor allem die Jugend, die sich stark macht für ein zweites Referendum. Allerdings nicht nur. Mit dem

früheren Premiermin­ister Tony Blair hat sich jetzt auch ein sehr prominente­r Brite für eine zweite Abstimmung ausgesproc­hen. Anders, so Blair, würde sich die Spaltung in der Gesellscha­ft nicht überwinden lassen.

Die Wahrschein­lichkeit, dass eine zweite Abstimmung stattfinde­n könnte, ist gar nicht so gering. Denn im britischen Parlament gibt es zwar möglicherw­eise keine Mehrheit für den von Premiermin­isterin May ausgehande­lten Brexit- Deal, aber es gibt ganz sicher keine Mehrheit für einen harten, ungeordnet­en Brexit mit seinen wahrschein­lich chaotische­n Folgen. Der Ausweg wären Neuwahlen und/ oder eine zweite Volksabsti­mmung.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria