Magisches Original
Josefstadt: „ Der Bauer als Millionär“
Raimunds „ Bauer als Millionär“zu spielen, ist heute ein Wagnis: Durch zu viele Verharmlosungsund Behübschungswaschgänge wurde das Werk in der harmoniesüchtigen österreichischen Nachkriegszeit gejagt. In der „ Josefstadt“versucht der Regisseur Josef Ernst Köpplinger das Tollkühne: Er spielt das Stück, wie es im Buch steht, und gewinnt. Im „ Alpenkönig“gilt das biedermeierlich- obrigkeitliche Gehirnwaschprogramm wenigstens einem ausgewiesenen Psychopathen; im „ Verschwender“wird Spargesinnung angemahnt, worüber man diskutieren kann. Im „ Bauer als Millionär“aber artikuliert Raimund direkt das vormärzliche Überlebensprinzip: Sei zufrieden mit dem, was du bist, verhalte dich still, sonst wirst du bestraft. Die gute Abteilung des Feenreichs steht dabei für die lohnende, strafende, gegebenenfalls väterlich verzeihende Obrigkeit des Metternich’schen Überwachungsstaats. Dass sich hinter Raimunds Appell zur Genügsamkeit ein verzweifelter, seelisch deformierter Mensch verbarg, wurde im Neo- Biedermeier der Nachkriegsjahrzehnte verdrängt. Köpplinger stellt das Stück nun in der Distanz der Jahrzehnte wieder zur Diskussion: in annähernd adäquater Kostümierung und mit einer kleinen Kapelle, die Joseph Drechslers Musik wiedergibt. Die Lehre ist eine fundamentale: Das Stück ist fabelhaft, in seinem Blödsinn nicht weniger als in seinem Tiefsinn, und es ist ein Fundus erstklassiger Rollen, die hier tadellos besetzt sind. Michael Dangl ist ein virtuoser, berührender Wurzel, und neben Johannes Seilern und Julia Stemberger ist Wolfgang Hübsch als wahrhaft ereignishaftes, unvergessliches hohes Alter hervorzuheben.