Kronen Zeitung

Sie suchte das Glück– und fand den Tod

Am 8. Dezember starb eine 16-jährige Oberösterr­eicherin. In ihrem Kinderzimm­er. Ihr afghanisch­er Freund soll sie ermordet haben. Das tragische Ende eines jahrelange­n Beziehungs­dramas, aus dem das Mädchen nicht entkommen konnte. Weil ihm niemand dabei half

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Am

Abend des 8. Dezember bunkerten sich Michelle F. und Saber A. wieder einmal ein. Im Zimmer der 16Jährigen in der Wohnung ihrer Mutter in Steyr.

Die beiden Jugendlich­en lagen im Bett. Sie hörten Musik, rauchten, tranken Alkohol. Sie küssten sich, machten Zukunftspl­äne.

Aber irgendwann begannen sie zu streiten. Michelle warf Saber vor, sie betrogen zu haben, er machte ihr Vorhaltung­en wegen eines Burschen, mit dem sie angeblich geflirtet habe.

„Es war doch bloß ein tragischer Unfall“

Der 17-Jährige steigerte sich immer mehr hinein in seine Wut. Auf den Nebenbuhle­r, auf seine Freundin. „Du verhältst dich nicht, wie sich eine Frau zu verhalten hat“, schrie er.

Ein tödlicher Messerstic­h in Michelles Rücken.

Der Afghane bedeckte die Leiche mit einer Tuchent, schlief seinen Rausch aus – und sprang dann aus dem Fenster im Erdgeschoß.

Laut Rekonstruk­tion der Kripo muss die Tat gegen 23 Uhr geschehen sein – erst 24

Stunden später wurde das Opfer entdeckt, von seiner Mutter und einer Schwester.

Saber A. befand sich zu diesem Zeitpunkt längst in Wien, er war bei Landsleute­n untergetau­cht und dabei, sich einen gefälschte­n Pass zu beschaffen, doch er ahnte, dass ihm Verrat drohte – und stellte sich am 11. Dezember der Polizei.

„Es war ein Unfall“, behauptet der 17-Jährige jetzt in Verhören, und dass er um Michelle „extrem trauern“würde, „weil uns ja eine große Liebe verbunden hat“.

Michelles traurige Lebensgesc­hichte

Eine „Liebe“, zerstöreri­sch für das Mädchen, immer schon. Doch das wollte und konnte es nicht begreifen in seiner verzweifel­ten Suche nach Glück.

Michelles Karten, sie standen von Beginn an nicht gut. Mit drei älteren Geschwiste­rn wuchs sie in Steyr auf. Ohne Vater. Die Mutter hing an den Kindern, war aber mit ihrer Versorgung überforder­t, wiederholt wurden sie deshalb vom Jugendamt in Heimen untergebra­cht. Wo Michelle als „Problemfal­l“galt. Sie schaffte es nicht, sich an Regeln zu halten, verbrachte viel Zeit auf der Straße. Weil ihr Halt fehlte. Und dann, sie war noch nicht einmal 14, lernte sie über Facebook Saber kennen. Er erzählte ihr per Chat über seine dramatisch­e Flucht aus Afghanista­n, von

dem Krieg in seinem Land; von seinem traurigen Leben nun, in einer Wiener Asylunterk­unft. Von seiner Sehnsucht nach den Eltern, von seiner Einsamkeit. Von seiner Hoffnung – auf Liebe.

Schnell fühlte sich das Mädchen dem Burschen vertraut, berichtete ihm von seiner eigenen Tristesse. „Ich werde dir Geborgenhe­it geben“, versprach der Afghane der Oberösterr­eicherin.

Im Sommer 2016 kam es zu einem ersten Treffen der beiden am Bahnhof von Steyr. Von da an galten sie als Paar. Unauffälli­g habe sich Saber zunächst verhalten, „er war ruhig, behandelte Michelle gut, es schien sogar, als würde er positiven Einfluss auf sie ausüben“, erinnern sich Freundinne­n der Oberösterr­eicherin.

„Er bedrohte sie immer wieder mit Mord“

Nach dem Schulabsch­luss begann sie eine Lehre in einem Supermarkt, sie sparte eisern, mit dem Ziel, für sich und ihren Freund eine Wohnung anmieten zu können: „Aber je mehr sie in die Beziehung hineinkipp­te, desto mehr begann Saber, sein wahres Gesicht zu zeigen.“Bald verbat er ihr den Kontakt zu ihrer Clique, er löschte alle Telefonnum­mern – außer seiner – aus ihrem Handy. „Nach Dienstschl­uss schloss sie sich auf seinen Wunsch in ihrem Zimmer ein“, so Michelles Onkel: „Ständig sagte ich ihr, dass Saber gefährlich ist. Aber sie wollte nicht auf mich hören . . . “

Nicht einmal nachdem der Bursch – am Heiligen Abend 2017, vor ihrer Familie – da-

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