Eine Frage des Standpunkts
Wir reisen durchs Land und stellen Österreichs schönste Plätze vor. Heute Christian Majcens Blick vom Plattenberg ins Mostviertel (NÖ).
Wer nie auf der Kaiserin-ElisabethWarte am Plattenberg war, der hat das Mostviertel noch nicht gesehen“, sagt Karl Oberaigner, der Plattenwirt von Weistrach (NÖ), gerne seinen Gästen. Und er hat recht.
Es gibt wohl nur wenige Orte in der Gegend, wo man – mit ein paar Schritten entlang der Kuppe des 750 Meter hohen Plattenbergs – eine so schöne Aussicht hat. Sisi hätte sich als Naturliebhaberin gefreut, von „ihrer“Warte aus ins Land zu schauen, aber sie wurde 1898, im Jahr der Bauplanung, in Genf ermordet, die Warte in Gedenken an die beliebte Kaiserin benannt.
Jetzt im Advent, wo Nebel, Frost und Schnee in schneller Folge durchs Land tanzen, bietet der Plattenberg besonders in den frühen Morgenstunden und bei Einbruch der Dunkelheit manchmal besondere Naturschauspiele. Der Eintritt ist frei, nur Geduld muss man haben. Und gut anziehen sollte man sich, denn der Wind ist heimtückisch.
Hineinhüpfen in die Landschaftsbilder
Einer, der den Plattenberg von allen Seiten und zu allen Jahreszeiten kennt, ist Hobbyfotograf Christian Majcen. Wenn der zweifache Familienvater im Morgengrauen aufwacht, genügt ihm ein kurzer Blick aus dem Fenster seines Hauses auf der
Ederhöhe in Haag, damit er weiß, ob sich die kurze Fahrt von dort auf den Plattenberg lohnen könnte. „Und das ist nicht“, sagt er schmunzelnd, „wenn der Himmel perfekt und wolkenlos ist.“
Das Ergebnis sind oft Landschaftsbilder, „in die man hineinhüpfen möcht“, wie ein begeisterter Fan ihm einmal schrieb. Das Mostviertel ist keine oberflächli-
che Schönheit. Man muss schon genauer hinsehen, um sich von ihren Reizen verzaubern zu lassen. Und genau das tut Christian Majcen. Genauer hinsehen, sich dabei Zeit lassen, Geduld haben.
Eine gefährliche Erschöpfungssituation
Der 46-Jährige hat eigentlich Maschinenschlosser gelernt, hat wie sein Vater bei der Voest Alpine in Linz begonnen und war bis Anfang des Jahres Meister in der dortigen Lokwerkstätte, wo die gut zwei Dutzend Lokomotiven im Werksgelände auf einem eigenen 160 Kilometer langen Schienennetz (mehr als in ganz Vorarlberg) unterwegs sind, gewartet und repariert werden.
Stetig steigender Druck, Verantwortung für 15 bis 20 Mitarbeiter, Personalrochaden, Zusatzbelastungen, die nebenher mitlaufen. Es kam der Moment, in dem Christian Majcen von einem Augenblick auf den anderen zurückschalten musste. „Eine
sehr schwierige Zeit, denn man muss sich erst einmal selbst eingestehen, was da passiert“, sagt er rückblickend. „Ohne meine Frau Margit hätte ich das nicht geschafft.“
Und auch das Verständnis beim Arbeitgeber LogServ für eine gefährliche Erschöpfungssituation, in die immer mehr hart und verantwortungsvoll arbeitende Menschen hineinrutschen, war wichtig.
Christian Majcen kann jetzt nach einer Erholungsphase in einem anderen Bereich seine LokomotivKompetenz einbringen. „Zum Beispiel wenn wir wie jetzt eine komplette MAK V100 mit 80 Tonnen für eine private Lokalbahn in ihre Einzelteile zerlegen und wieder aufbauen.“
Beim Fischen fängt man auch nicht immer etwas
Was ihm sehr hilft beim Rückbesinnen auf das Wesentliche, auf das wirklich Wichtige im Leben, ist die Naturfotografie: Stimmungen einfangen, Details suchen, die ein Bild zu etwas Besonderem machen. Oft ist es nur eine Frage des Standpunkts, ob die Welt grau und neblig ist oder wunderschön. Und: „Manchmal entstehen eben die besten Fotos vor der eigenen Haustür wie am Plattenberg. Da hab ich dann ein Jauserl mit, in der Früh zum Beispiel einen Kaffee und ein Kipferl, und warte auf den Sonnenaufgang. Das ist wie beim Fischen. Da macht man auch nicht jedes Mal einen großen Fang. Aber das Erlebnis, das Befassen mit der Natur, das Genießen des Augenblicks ist trotzdem auf jeden Fall da. Und das ist wichtiger, als sich zu viel mit der Vergangenheit und mit der Zukunft zu befassen.“