Die Kleinen in der Demokratie
Wie viele Parteien haben wir eigentlich in Österreich? 1115! Die meisten Wähler müssen zugeben, dass bei so einer Quizfrage ihre Antwort wohl um über 1000 daneben liegen würde. Also sollten wir uns nicht nur mit den größeren Parteien beschäftigen.
Jede politische Partei muss wie ein Verein Statuten – also ihren Sinn und Zweck sowie Organisationsregeln – beschließen und beim Innenministerium hinterlegen. Dafür genügen drei Leutchen und als Zielsetzung „eine gute Politik“oder ähnliche Leerformeln. Mit einer kleinen Gebühr ist man endgültig dabei.
Die Ministerialbeamten haben das zur Kenntnis zu nehmen. Ausnahmen gibt es bloß bei verfassungs- und strafrechtswidrigen Parteizielen. Daher gibt es so viele Parteien und das ist gut so. Nur in Diktaturen dürfen sich Staat und Regierung einmischen, was (partei)politisch gewünscht wird oder nicht. Die Parteienfreiheit erlaubt es jedem von uns, eine Partei zu gründen. Nicht alle Parteien sind bedeutend. Zudem gibt es Karteileichen. Weil die Partei gar nicht mehr tätig ist oder die Gründer tot sind. Die Politikwissenschaft fragt deshalb, welche Parteien aktiv und gestaltend an der Politik teilnehmen. Aber auch hier wäre es falsch, nur von ÖVP, SPÖ und FPÖ zu reden. Genauso sind Neos, Liste Pilz und Liste Fritz, Grüne, KPÖ, Team Kärnten und Liste Burgenland in Parlamente – in den Nationalrat oder mindestens einen Landtag – gewählt worden. Die Neos haben in der letzten Nationalratswahl fast 270.000 Stimmen – das waren 5,3 Prozent – und 10 von 183 Abgeordnetensitzen erhalten. Sie sind seit 2013 darüber hinaus ein zentraler Faktor des demokratischen
Diskurses. Sowohl mit ihren Politikvorschlägen von Bildung bis Wirtschaft als auch als Kontrolleure der Regierung in Untersuchungsausschüssen.
In Salzburg regieren die Neos sogar gemeinsam mit ÖVP und Grünen. Ihre Achillesferse ist, dass man in den großen Bundesländern Oberösterreich und Steiermark sowie auch in Kärnten und Burgenland am Landtagseinzug
relativ kläglich gescheitert ist. Erst wenn man in fast allen Ländern parlamentarisch vertreten ist, hat man sich endgültig etabliert. Ungleich schwieriger wird das für die Liste Pilz mit ursprünglich acht Abgeordneten. Bei einer so geringen Zahl und 4,4 Prozent der Stimmen sollte man sich nicht zerstreiten und spalten. Hinzu kommt, dass
viele – ähnlich dem Team Kärnten des Ex-SPÖ-Bürgermeisters Klaus Köfer und einst Listenmacher Fritz Dinkhauser in Tirol – die Partei als Einpersonenstück wählten.
Fällt Peter Pilz als Person aus, so bleibt wenig übrig. Der neue Parteiname Jetzt ist weithin unbekannt. Für die Markenbildung einer Partei und ihrer jetzigen Führung – wissen Sie, wer
das im Parlament und außerhalb ist? – braucht man Jahre. Allgemeine Politik- und Themenkompetenz reicht kaum, man müsste als Überlebenschance schon einen Riesenskandal aufdecken. Die Grünen leben trotz Flug aus dem Nationalrat noch, weil sie im Europaparlament, fünf Landesregierungen und acht Landtagen plus Bundesrat sitzen. Ein kompletter Absturz ist unwahrscheinlich. In der Öffentlichkeit sind sie aber – Personaldebatten ausgenommen – ins Abseits geraten. Das führt dazu, dass sie etwas bräuchten, das sich keiner wünscht: Klimaund Umweltkatastrophen würden ihnen beim ureigensten Thema einen Aufschwung bringen. Außerhalb der Steiermark und Graz ist den meisten Österreichern entgangen, dass die Kommunisten in Volksvertretungen eine Rolle spielen. Aktuell hält die KPÖ bei vier Prozent der Landes- und 20(!) Prozent der Stadtstimmen. Wie das gelungen ist? Nicht mit einem Ideologieund Wertewahlkampf, sondern durch sozialpolitische Glaubwürdigkeit, welche die schwarzrotblaugrüne Konkurrenz offenbar nicht hatte. Unbestritten treten manche Kleinparteien seltsam auf. Dazu gehörte das Team Stronach mit dem verhaltensauffälligen Parteigründer und allerlei Glücksrittern als Gefolgsleute. Der Schauspieler Roland Düringer scheiterte mit seiner Partei Gilt, deren Finanzreferent nun wegen Geldunterschlagung vor Gericht steht. War das ein Kabarettprogramm oder unfreiwillig eine tragikomische Lachnummer?
Bei der Österreichischen Bierpartei kann man wenigstens erahnen, was sie will. 99-eins oder APPÖ hingegen kennt kein Mensch. Die 99-er schreiben gerne Drohbriefe, wenn man im Fernsehen nicht über sie berichtet. Das zweite Kürzel steht für Alpine Pogo Partei. Deren Internetseite beinhaltet als einzige Information, dass Totgesagte länger leben.
Demokratien halten ein paar Spinner aus. Doch sind die Kleinen enorm wichtig. „Die Mehrheit hat immer recht!“, das ist ein gefährlicher Satz. Einerseits haben wir zum Glück Minderheitenund Oppositionsrechte. Andererseits gibt es in Streitfragen fast nie nur zwei Meinungen, sondern drei, vier, fünf oder viel mehr politische Möglichkeiten. Dafür brauchen wir die Parteienvielfalt und viele Kleinparteien.