Entsetzen
Zwei Jahrzehnte im Skiweltcup. Man möge meinen, dass man da abgebrüht ist. Dass nichts mehr erschüttert. Leider kann davon keine Rede sein.
Gestern wurden sie wieder wach: all die schlimmen Erinnerungen. An die bangen Minuten, als der Amerikaner Scott MacCartney 2008 und der Schweizer Daniel Albrecht 2009 unter dem Zielsprung regungslos auf der Streif lagen.
Oder vor allem an das Jahr 2011. Als ebenfalls in Kitzbühel auch Hans Grugger mit schwersten Kopfverletzungen um sein Leben rang. Der sympathische, damals erst 29-jährige Bursche, den man von all den gemeinsamen Reisen davor so gut kannte und der erst ein paar Tage zuvor im langen Interview von seinen großen sportlichen Plänen erzählt hatte. Tränen schossen in die Augen. Tränen der Angst. Des Entsetzens. Der Verzweiflung.
Oder an die Horror-Abfahrt auf der Streif vor zwei Jahren. Als nach den fürchterlichen Stürzen von Georg Streitberger, Hannes Reichelt und Aksel Lund Svindal Gabriel, der damals zwölfjährige Sohn, anrief und fragte: „Papa, warum hören die denn nicht auf damit?“
Ja, warum eigentlich nicht? Weil diese Rennläufer anders ticken. Weil sie sich auch nach schlimmsten Unfällen wieder hinunterstürzen, Angst entweder nicht kennen oder sie verdrängen. Weil sie den Nervenkitzel brauchen. Max Franz lag 2012 in Beaver Creek ebenfalls bewusstlos im Schnee. Trotzdem riskiert er weiter Kopf und Kragen. Der gestrige Schock um Marc Gisin wird daran wieder nichts ändern. Nicht bei ihm. Nicht bei Svindal. Und auch sonst bei keinem einzigen.