Kickl über Messer und Abschiebungen
Der Mord an der 16-jährigen Michelle scheint dem Innenminister recht zu geben: Sollen für afghanische Asylwerber strengere Maßstäbe gelten? Herbert Kickl (50) über Stacheldraht und Ausgangssperren, Lob von rechts und Rücktrittsforderungen – und seine lieb
Freitagnachmittag im Palais Modena, dem Sitz des Innenministeriums in der Wiener Herrengasse. Irgendetwas ist anders beim Aufgang in das Büro von Herbert Kickl, und zwar der Teppich. Oder war der immer schon blau? Oben holt uns der Minister ab und geht voraus in sein weihnachtlich geschmücktes Arbeitszimmer. „Das ist eine Zirbelkiefer“, erklärt er ganz stolz und zeigt auf den langnadeligen Christbaum, dreimal so hoch wie er selbst. Ein Geschenk des Bürgermeisters von Deutsch-Griffen, den Schmuck haben Menschen aus der Betreuungseinrichtung Fischerhof gebastelt. „Für mich ist es ein Stück Kärntner Heimat“, sagt Kickl und nimmt in einem der schwarzen LederFauteuils Platz.
Am Donnerstag (und auch gestern) haben in Wien, Linz, Salzburg und Graz wieder Tausende Menschen gegen die Regierung demonstriert. Auf Transparenten stand: „Kickl muss weg!“Sprecher haben vor „faschistischen Kräften“in dieser Regierung gewarnt. Wie geht es Ihnen damit?
Vielleicht haben Tausende demonstriert, aber viel, viel mehr Tausende haben nicht demonstriert. Wenn ich mit der Bevölkerung in Kontakt komme, dann erlebe ich einen enormen Zuspruch. Tenor: „Gut, dass jetzt endlich Dinge angegangen werden, die man viel zu lange hat liegen lassen. Gut, dass man endlich einmal
Ordnung macht.“Was diese Demonstrationen betrifft, ist es das gute Recht eines jeden, sich politisch zu artikulieren. Ich habe aber schon den Eindruck, dass hier eine ritualisierte Form des Protests stattfindet, relativ sinnentleert. Denn was denkt sich jemand, der in Öster- reich „faschistische Gefahren“sieht? Entweder ist das eine grobe Form von Verblendung oder eine grobe Form von Ignoranz. Mich stört diese inflationäre Verwendung der Begriffe „Faschismus“oder „Nazi“. Das ist verantwortungslos und kontraproduktiv.
Warum konzentriert sich so viel Kritik und Hass auf Ihre Person?
Weil es im Innenressort um viele heiße Eisen geht. Seit 2015 beherrscht die Asyl- und Migrationsdebatte die Innenpolitik, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Viele der Entscheidungen in diesem Zusammenhang werden im Innenressort getroffen, deshalb bin ich für die Linke der Reibebaum. Mein Job ist es dennoch, Stück für Stück die Schäden zu reparieren, die 2015 entstanden sind.
Die „Süddeutsche“hat ein Porträt über Sie mit „Rechts außen“betitelt. Wie klingt das für Sie?
Ich nehme das hin. Ob das auf Demos behauptet wird oder in politisch eingefärbten Berichten, ist unerheblich. Ziel ist es, mich in eine gewisse Ecke zu stellen. Ich sehe mich in der Mitte der Gesellschaft und würde meine Politik im besten Sinne dieser Worte als normal und vernünftig bezeichnen.
Freuen Sie sich, wenn stattdessen die Zeitschrift „Zur Zeit“, die ja wirklich rechts steht, eine Sondernummer über Sie veröffentlicht, in der Sie als „Law-and-Order-Minister“bejubelt werden?
Ich habe das noch gar nicht gelesen. Man hat mich auch vorher nicht gefragt, und es ist schon gar nicht von uns bestellt worden. Aber ich finde es gut, wenn auch andere Meinungen und Darstellungen ihren Platz haben, denn das demokratische Spektrum ist ja ein Vielfältiges, und da soll sich jedes auf seine Art und Weise artikulieren.
Also stört es Sie nicht, in „Zur Zeit“zu stehen?
Nein, das stört mich nicht.
Der niederösterreichische Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl hat mit seinem Quartier für auffällig gewordene Flüchtlinge in Drasenhofen für großes Aufsehen gesorgt. War es richtig, dieses Quartier zu schließen? Ich hatte kein Problem
Ich hatte kein Problem mit dem Flüchtlingsquartier in Drasenhofen. Da hat die Frau Landeshauptfrau von Niederösterreich nicht die besten Nerven gehabt.
Niemand will jemanden einsperren. Aber in einem Internat können die Schüler auch nicht in der Nacht einfach rauslaufen.
Wenn ich könnte, würde ich den mutmaßlichen Täter gleich außer Landes bringen, jawohl. Aber ich habe klare gesetzliche Vorgaben.
mit diesem Quartier. Es war wieder einmal typisch: Jemand schreit auf, und bevor man sich die Sache genauer anschaut, wird hektisch reagiert. Da hat die Frau Landeshauptfrau von Niederösterreich nicht die besten Nerven gehabt. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin in dieser Frage aus einem anderen Holz geschnitzt.
Aus welchem denn?
Ich suche gern die inhaltliche Auseinandersetzung. Dann diskutieren wir darüber, ob das wirklich so unanständig gewesen ist, oder ob es nicht vielleicht einen Sinn gemacht hat.
Minderjährige einzusperren?
Das sind ja keine Kinder oder pflegeleichte Personen, früher hätte man wahrscheinlich gesagt, das sind Halbstarke. Auf jeden Fall sind es Problemjugendliche, wobei man sich schon die Frage stellen muss: „Tut man denn den anderen, die bisher mit diesen Jugendlichen gemeinsam betreut wurden, etwas Gutes, wenn man sie dieser Gesellschaft aussetzt?“Und die Frage ist auch, ob man der Bevölkerung etwas Gutes tut oder ob man diese Leute nicht ein bisschen genauer beobachten sollte. Was Waldhäusl gemacht hat, war ein Versuch, Sorge dafür zu tragen, dass niemand Weiterer zu Schaden kommt. Jetzt haben andere die Verantwortung dafür übernommen.
Meinen Sie die Caritas?
Genau. Die Caritas und alle, die an der Entscheidung beteiligt waren, dieses Quartier in dieser Form nicht mehr weiterzuführen. Wenn wieder etwas passiert, wird man die Verantwortung dort suchen müssen.
Aber ist Stacheldraht etwas, das man vor einer Flüchtlingsunterkunft aufziehen sollte?
Also lassen wir bitte die Kirche im Dorf. Das war kein Stacheldrahtzaun, sondern da war bei einem normalen Zaun oben eine Reihe Stacheldraht. Dass Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen umzäunt sind, ist ja nichts Neues. Man hat aber so getan, als ob es da kein Tor gebe, durch das man ein- und ausgehen kann.
Vizekanzler Strache hat jetzt auch eine nächtliche Ausgangssperre für Asylwerber gefordert. Hat er Ihre Rückendeckung?
In die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen fließen immerhin 95 Euro pro Tag pro Person. Dazu gehört es auch, bei Leuten, die noch nicht volljährig sind, dafür zu sorgen, dass sie in der Nacht zuhause sind und sich nicht irgendwo herumtreiben. Niemand will jemanden einsperren. Aber in einem Internat können die Schüler auch nicht in der Nacht einfach rauslaufen. Dort sagt aber niemand, sie seien eingesperrt. Das nennt man Obsorgepflicht.