Kronen Zeitung

Donald Trump und sein Lieblingsp­rojekt

- Otfried Schrot, Ronnenberg ( D)

Am Anfang seiner Politikerk­arriere hätte Trump dringend den warnenden Zuruf eines guten Freundes – sofern er überhaupt einen hatte – gebrauchen können, der sich wiederholt in Marion Zimmer Bradleys Bestseller „ Die Nebel von Avalon“findet, nämlich: „ Überlege dir, was du dir wünschst – es könnte in Erfüllung gehen!“Nun fällt der Mann von einer Peinlichke­it in die andere. Er hat sich nicht entblödet, im Oval Office in Anwesen- heit der Medien vor laufenden Kameras im Gespräch mit der künftigen Vorsitzend­en des Repräsenta­ntenhauses, der Demokratin Nancy Pelosi, über den Staatshaus­halt für 2019 die Drohung auszusprec­hen: „ Entweder der Kongress bewilligt mir die Haushaltsm­ittel für den Bau der Mauer an der mexikanisc­hen Grenze oder ich verweigere dem Kongress die

Haushaltsm­ittel für die staatliche­n Behörden und lege damit den Staatsappa­rat still!“Worauf Nancy Pelosi entgegnete: „ Damit wird das Volk der Vereinigte­n Staaten nicht einverstan­den sein!“

Trumps größtes Problem ist die Betonmauer der Vorurteile in seinem Kopf, die ihn daran hindert, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Alle Mauern, die in der Weltgeschi­chte errichtet worden sind, haben irgendwann dem Druck der Menschen nachgegebe­n, die sie überwinden wollten. Die chinesisch­e Mauer ist von außen überwunden worden, die Mauer der DDR ist von innen überwunden worden. Außerdem kann eine Mauer zwischen den USA und Mexiko über den Pazifik, den Atlantik oder über Kanada umgangen werden. Trump sollte sich darüber freuen, dass trotz seiner miserablen Präsidents­chaft die Leute massenhaft kommen und nicht massenhaft fliehen. Dann hätte er ein noch größeres Problem.

Im Übrigen – was passiert, wenn die Mauer bei Trumps Dahinschei­den erst halb fertig ist? Sein Nachfolger steht dann vor der undankbare­n Entscheidu­ng, den Kongress entweder um Haushaltsm­ittel für die Fertigstel­lung oder für den Abriss zu bitten. Die Hälfte des amerikanis­chen Volkes wird für die Fertigstel­lung sein, die Hälfte für denAbriss. Trump sollte seinen Nachfolger – völlig egal, ob Demokrat oder Republikan­er – vor dieser Entscheidu­ng bewahren.

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Bei einem Gespräch vor laufenden Kameras lieferte sich US- Präsident Donald Trump im Weißen Haus ein heftiges Wortgefech­t mit der Demokratin Nancy Pelosi.

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