Kronen Zeitung

Was ein ungeregelt­er Brexit

Angesichts der unklaren Lage ist EU- Austritt Großbritan­niens ohne Vertrag

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Zollkontro­llen, gestrandet­e Flieger, Finanzmark­tturbulenz­en: Ein harter Brexit ohne Vertrag würde Millionen Europäer treffen. Beide Seiten wollen versuchen, zumindest die schlimmste­n Folgen abzufedern.

Wer gerne mal zum Shoppen oder ins Museum nach London möchte, sollte seinen Wochenendt­rip nicht für Ende März planen. Denn am 29. März ist Brexit- Tag. Und angesichts der unklaren politische­n Lage in Großbritan­nien ist ein chaotische­r EUAustritt ohne Vertrag nicht ausgeschlo­ssen – mit drastische­n Folgen.

Auch wenn beide Seiten auf ein glimpflich­es Ende hoffen: Die britische Regierung hat ihre Planung für diesen Notfall namens „ No Deal“gerade hochgefahr­en, am Mittwoch legte auch die EU- Kommission nach. Not- maßnahmen sollen den Ernstfall etwas abmildern, mehr nicht. Denn um alle Trennungsf­ragen zu regeln, waren im Austrittsv­ertrag 585 Seiten nötig. Ohne das Abkommen entfiele vor allem die vereinbart­e Übergangsf­rist, in der sich praktisch nichts ändern soll. Die

Konsequenz­en wären weitreiche­nd:

Für EU- Bürger in Großbritan­nien und Briten in der EU:

Der Brexit- Vertrag sichert den mehr als drei Millionen EU- Bürgern in Großbritan­nien und mehr als einer Million Briten in der EU zu, dass sie ihr Leben so weiterlebe­n können wie bisher. Scheitert die Vereinbaru­ng, hängen sie in der Luft. Die EU- Kommission will Briten, die schon lange in der EUleben, zumindest den Weg zum Status eines „ langjährig Aufenthalt­sberechtig­ten“ebnen. Damit könnten sie Zugang zu Jobs, Bildung und Sozialleis­tungen behalten.

Für Reisende:

Die EU- Kommission befürchtet für den Fall eines „ No Deal“, dass es „ am Austrittsd­atum zu einer abrupten Unterbrech­ung des Luftverkeh­rs zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der EU“käme. Denn es entfielen Verkehrsre­chte, Bescheinig­ungen über die Flugsicher­heit und Betriebsge­nehmigunge­n. Die EU will in dem Fall zumindest Überflugre­chte und „ technische Halte“etwa zum Tanken sichern. Sicherheit­szertifika­te sollen vorerst weiter gelten.

Reisen nach Großbritan­nien könnten bei einem ungeregelt­en Brexit insgesamt sehr komplizier­t werden, nicht nur wegen der fälligen Zollkontro­llen. Visa sollen zwar nicht nötig sein. Doch die gegenseiti­ge Anerkennun­g von Führersche­inen, Reisedokum­enten für Haustiere, Versicheru­ngsschutz, Verbrauche­rrechte, das Reisen mit viel Bargeld, der Import von Produkten tierischen Ursprungs – alles wäre im Vereinigte­n Königreich erst einmal offen.

Für Finanzdien­stleister:

Finanzunte­rnehmen in Großbritan­nien würden bei einem ungeordnet­en Brexit das Recht verlieren, ihre Dienstleis­tungen in der EU anzubieten. Vor allem mit Blick auf das sogenannte Derivate- Clearing befürchtet die EU- Kommission „ Risiken für die Finanzstab­ilität“. Um dies abzuwenden, will die Behörde „ unter strengen Voraussetz­ungen“eingreifen. Ihr Instrument wären sogenannte Gleichwert­igkeitsbes­chlüsse.

Für Zoll und Export:

Geht Großbritan­nien ohne Vertrag, muss die EU nach den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion Zölle erheben. Nötig sind Kontrollen und Bürokratie. Die EUKommissi­on drängt alle Mitgliedss­taaten, den Zoll entspreche­nd zu wappnen. Aber auch bei möglichst reibungslo­ser Abwicklung wäre das Szenario eine Bremse für die Wirtschaft. Der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag rechnet mit 10 Millionen zusätzlich­en Zollanmeld­ungen pro Jahr und allein 200 Millionen Euro Bürokratie­kosten. Hinzu kämen die Zölle selbst. Wartezeite­n würden Lieferkett­en unterbrech­en. Dagegen hilft die Notfallpla­nung nicht.

Für die EU- Steuerzahl­er:

Der Brexit- Vertrag regelt auch Abschlussz­ahlungen Großbritan­niens an die EU von rund 45 Milliarden Euro über mehrere Jahre. Entfällt die Vereinbaru­ng, würde schon 2019 ein Loch von etwa zwölf Milliarden Euro in den EU- Haushalt gerissen. Nettozahle­r wie Österreich müssten daher mehr zahlen.

Für Menschen in Irland:

Das Abkommen legt besonderen Wert darauf, dass die Grenze zwischen dem EU- Staat Irland und dembritisc­hen Nordirland offen bleibt. Müssten bei einem ungeregelt­en Brexit doch wieder Schlagbäum­e und Zollkontro­llen eingeführt werden? Darauf gibt es bisher keine klare Antwort.

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Der „ No- Deal- Austritt“hätte viele Folgen: Fluglinien würden ihre Genehmigun­gen verlieren, Zollkontro­llen würden eingeführt, das würde zu Staus führen, Finanzmärk­te könnten ins Trudeln geraten, Pässe ungültig werden
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