von Lesern fur Leser
Als Honigschnauze nicht einschlafen konnte
Ineinem großen Wald im Norden Europas lebt eine Bärenmutter mit ihrem Kleinen, den sie zärtlich „ Honigschnauze“ruft. Der Kleine hat sich im Sommer leidenschaftlich über die süßen Honigwaben hergemacht, die ihm seine Mutter vom Baum geholt hat. Weil er stets rund um sein Bärenmaul voll mit süßem Honig war, kam er zu seinem Namen. Der Sommer ist nun längst vorbei, und es ist kalt geworden. Die kleine Familie hat es sich in einer Höhle unter einem großen Felsen bequem gemacht, um dort ihren Winterschlaf zu halten. Mutter Bär gähnt schon kräftig und kann nur mühsam ihre Bärenaugen offen halten. Die große Bärentatze zärtlich um das Bärenkind gelegt, schlummert sie in den Winterschlaf.
Doch unser Bärenjunge ist überhaupt noch nicht müde. Draußen heult der Wind und bläst vereinzelt Schneeflocken zum Höhleneingang herein. Das macht ihn neugierig, und er lugt ins Freie. Was ist denn das? Draußen ist es ganz weiß! Wald und Wiesen sind mit einer Schneedecke zugedeckt. Seine Neugier kennt nun keine Grenzen mehr. Honigschnauze, der noch nie Schnee gesehen hat, greift vorsichtig in das weiche „ Etwas“. „ Ist das vielleicht süßer Zucker?“, denkt er sich und schleckt seine Pratze ab. Er sieht eine Weile den tanzenden Schneeflocken zu, wie sie vom Wind hochgewirbelt werden und dann langsam zu Boden sinken. Nun ist er nicht mehr zu halten. Er tanzt mit den Schnee-
flocken um die Wette. Er wälzt sich voller Begeisterung in dem weichen Weiß und kugelt den Abhang hinunter. In der Ferne sind die Lichter der Stadt zu erkennen – da will unser naseweises Bärenkind hin. Endlich hat er die ersten Häuser erreicht. Unbekümmert läuft er durch die Straßen, bis er auf einen großen Platz kommt. In der Mitte steht eine mit Hunderten Kerzen geschmückte Tanne, und aus den bunten Geschäften ertönt die Melodie „ Fröhliche Weihnacht überall!“Der kleine Bär hält staunend inne und lauscht. Honigschnauze riskiert einen Blick durch ein hell erleuchtetes Fenster, an dem sich gerade ein Bub seine Nase platt drückt, wohl um nach dem ersehnten Christkind Ausschau zu halten. „ Mama, eben hat ein Bär zum Fenster hereingeschaut“, hört der kleine Ausreißer den Knaben sagen. „ Du hast Fantasie!“, lacht die Mutter. Auch aus diesem Haus ist das Lied „ Fröhliche Weihnacht überall“zu hören. Weihnacht heißt das also, denkt das Bärenkind. Das müsste es bei uns im Wald auch geben! Da fällt es ihm plötzlich ein, dass er noch einen weiten Heimweg vor sich hat. Mit großen Bärensprüngen eilt er zurück. Leise kriecht er in die Höhle und kuschelt sich müde an die Seite von Mama Bär, die sogleich ihre Bärentatze um ihn legt. „ Fröhliche Weihnacht überall“, brummt Honigschnauze noch, und dann schläft er auch schon ein.