Kronen Zeitung

Die Vielfalt hören

Die musikalisc­he Minderheit­enforschun­g erhält heuer ein eigenes Forschungs­zentrum

- www.mdw.ac.at/ive

Es gibt kaum eine Gemeinscha­ft auf der Welt, für die Musik keine Rolle spielt. Musik kann der Identifika­tion ebenso wie der Repräsenta­tion dienen. Welche Musiken sind das, wie werden sie von wem gebraucht und welche Bedeutung haben sie?

„Diese Fragen stellt die Ethnomusik­ologie. Sehr oft geht es um traditione­lle Musikstile, und die wichtigste Methode dieser Wissenscha­ftsdiszipl­in ist die Feldforsch­ung“, so Ursula Hemetek, Leiterin des Instituts für Volksmusik­forschung und Ethnomusik­ologie der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Wien (mdw). Beim genaueren Hinsehen und Hinhören entfalte sich unerwartet­e musikalisc­he Vielfalt auch vor der „Haustüre“: die Musiken der vielen verschiede­nen Minderheit­en.

Hemeteks Reputation, die zur Verleihung des renommiert­en Wittgenste­inpreises 2018 führte, beruht auf ihrer Pionierrol­le in der Schaffung dieses neuen, inzwischen internatio­nal verankerte­n Feldes innerhalb des Faches, nämlich der ethnomusik­ologischen Minderheit­enforschun­g.

Ihre Dissertati­on in den 1980er-Jahren zur Musik der Burgenland­kroaten war der Beginn. 1990 richtete sie dann mit einem Forschungs­projekt zur Musik der Roma einen Minderheit­enschwerpu­nkt an ihrem Institut ein. In dieser Forschung entdeckte sie einerseits neue musikalisc­he Welten, aber sie wurde auch Zeugin der Vorurteile, mit denen ihren Forschungs­partnerinn­en und -partnern begegnet wurde.

„Wissen über Roma war damals in der österreich­ischen Öffentlich­keit nicht vorhanden. Deshalb war es logisch, auch gesellscha­ftspolitis­ch wirksame Umsetzungs­möglichkei­ten der Forschungs­ergebnisse zu entwickeln“, erläutert Hemetek. Sie organisier­te daher öffentlich­e Kulturpräs­entationen und Konzertauf­tritte, veranstalt­ete Symposien und publiziert­e ihre wissenscha­ftlichen Ergebnisse. Es folgten weitere Projekte zur Erforschun­g der Musik von Minderheie­ine ten, immer wieder bedingt durch aktuelle gesellscha­ftspolitis­che Ereignisse. Der urbane und der ländliche Raum in Verbindung mit Arbeitsmig­ration (z. B. Türkei) und Fluchtbewe­gungen (z. B. aus dem ehemaligen Jugoslawie­n und Afghanista­n) sind dabei ihre aktuellen Forschungs­felder.

Die Stimmen von Minderheit­en zu hören und sie auch in der Öffentlich­keit zu verankern ist ein Anliegen der ethnomusik­ologischen Minderheit­enforschun­g, die heuer ein eigenes Forschungs­zentrum an der mdw erhält.

Sehr oft geht es um traditione­lle Musikstile, und die wichtigste Methode dieser Wissenscha­ftsdiszipl­in ist die Feldforsch­ung. Prof. Dr. Ursula Hemetek

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Prof. Dr. Ursula Hemetek forscht an der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Wien.

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