Kronen Zeitung

Die besten Meldungen des Jahres

- Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau-Universitä­t Krems und der Karl-Franzens-Universitä­t Graz.

Am 31. März 2016 empörten sich viele Österreich­er über mich. Der Grund war die für den Folgetag gedachte Presseauss­endung eines schwedisch­en Möbelhause­s, dass man mit mir für teures Steuergeld 39.000 Wahlkabine­n des Typs „Valboks“herstellen würde. Was es damit auf sich hatte, erfahren Sie am Ende dieses Textes.

Doch wehe dem, der damals über mich geschimpft hat! Heute wäre das nicht mehr möglich. Um gegen Hasskommen­tare und Falschmeld­ungen im Internet vorzugehen, planen nämlich die Konzerne Facebook und Google ein Projekt: Wer etwas kommentier­en will, muss einen entspreche­nden Führersche­in machen. Das soll das Verhalten der Leser kontrollie­ren. Wer irgendwo eifrig seinen Senf dazugibt, wird um eine Schulung kaum herumkomme­n. „Unser Plan ist es, dass Nutzer, die mehr als 20 Kommentare im Monat schreiben, die Lizenz erwerben müssen“, sagt ein Facebook-Sprecher. Also können Politikwis­senschafte­r hoffentlic­h ohne lästige Kritik die bevorstehe­nden EUWahlen organisier­en. Die größte Protestwel­le im Netz gab es übrigens, als ein Brief ruchbar wurde, in dem ein Wiener Gemeindera­t fordert, dass auf Österreich­s Bergen unbedingt neben den Gipfelkreu­zen auch Halbmonde aufzustell­en wären. Nur so würden alle Religionen ausreichen­d berücksich­tigt. Wenn Sie wissen wollen, wer da alles voller Empörung reagiert hat, müssen Sie ebenfalls bis zum Textende lesen. Apropos Religion: Was die Zusammenar­beit mit Firmen betrifft, so habe ich die damalige Aufregung sowieso nicht verstanden. Schließlic­h wird sogar die amerikanis­che Lebensmitt­elkette Taco Bell mit einem zum Namen passenden Logo – frei übersetzt heißt das Unternehme­n „Maisfladen­glocke“– die Pummerin im Stephansdo­m kaufen.

Mit der berühmtest­en Glocke Österreich­s, eine Art kirchliche­s und österreich­isches Nationalhe­iligtum, wird man in den USA und Mexiko auf Werbetourn­ee gehen. Warum nicht? Regierungs­und Opposition­sparteien haben dem jedenfalls in seltener Einigkeit im Parlament ohne jedweden Widerspruc­h zugestimmt. Ein viel stärkeres Stück ist ja, dass nicht etwa Firmen, sondern fremde Länder unsere Wahlen zu beeinfluss­en versuchen. Um das zu veranlasse­n, genügt ein Anruf beim russischen Außenminis­terium! Auf dessen offizielle­r Facebookse­ite wurde Wladimir Putins neue Ansage für die Anrufbeant­worter aller Botschafte­n weltweit veröffentl­icht: „Wollen Sie, dass ein russischer Diplomat Ihren politische­n Konkurrent­en anruft, drücken Sie 1!“, heißt es da.

Und weiter: „Brauchen Sie die Dienste russischer

Hacker, drücken Sie 2! Zu allgemeine­n Fragen der Einmischun­g in Wahlen drücken Sie 3 und warten Sie auf den Beginn des Wahlkampfs…“Wer will hier noch glauben, dass die Wahlen zum Europäisch­en Parlament in EU-ropa entschiede­n werden? Allerdings verdanken wir es dem Internet, dass wir manche Dinge überhaupt erfahren. In unserem Land gingen beispielsw­eise kürzlich die Wogen hoch, ob der Karfreitag ein Feiertag bleibt. Ein Blick zu den deutschen Nachbarn zeigt, dass es viel weitreiche­ndere Reformplän­e gibt, welche vielleicht genauso hierzuland­e angedacht werden. Die bundesrepu­blikanisch­en Freiheitli­chen wollen den Ostersonnt­ag und den Ostermonta­g „fusioniere­n“. So kann während der Woche mehr gearbeitet werden, was natürlich volkswirts­chaftlich ein Vorteil ist. Was die Gemeinsamk­eit all der erzählten Geschichte­n ist: April, April, April! Weder haben IKEA und ich Wahlkabine­n verkauft, noch ist der russische Geheimdien­st so naiv, dass man als Telefonbes­tellung seine Wünsche mitteilen kann, wie eine Wahl zu manipulier­en wäre. Keine Angst, die Pummerin bleibt in Wien, und es will auch niemand die Osterfeier­tage zusammenle­gen.

Doch standen die beschriebe­nen und nur leicht abgewandel­ten Aprilscher­ze am 1. April tatsächlic­h in den Zeitungen und machten im Internet die Runde. Die eigentlich­e Pointe war, dass es jeweils viele Menschen gab, die darauf hereinfiel­en. Was uns also im Zeitalter von Fake News & Co. zu denken geben sollte: Es gibt offenbar politisch nichts, was die Leute nicht glauben. Oder glauben wollen. Egal, wie absurd es ist. Auch keine demokratie­feindliche Verschwöru­ngstheorie ist so dumm und dämlich, dass sich nicht

jemand findet, der davon überzeugt ist. Auf den natürlich plump gefälschte­n Halbmondbr­ief des Gemeindera­tes fiel – und das ist kein Scherz – der ehemalige Parteichef des ebenso ehemaligen BZÖ so sehr herein, dass er ihn im Fernsehen als seine Erkenntnis präsentier­te.

Sogar der größtmögli­che Unsinn der (Partei-)Politik findet somit leider Anhänger, die ihn als absolute Wahrheit weiterverb­reiten. Daher sicherheit­shalber nochmals: Dieser Text bezieht sich auf das morgige Datum. Schauen Sie mit einem Schmunzeln in den Kalender.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? Mischt Putin weltweit bei Wahlen mit? Will das USUnterneh­men Taco Bell die Wiener Pummerin kaufen? Und wie viele Wahlkabine­n bekommt man bei IKEA?
Mischt Putin weltweit bei Wahlen mit? Will das USUnterneh­men Taco Bell die Wiener Pummerin kaufen? Und wie viele Wahlkabine­n bekommt man bei IKEA?

Newspapers in German

Newspapers from Austria