Die besten Meldungen des Jahres
Am 31. März 2016 empörten sich viele Österreicher über mich. Der Grund war die für den Folgetag gedachte Presseaussendung eines schwedischen Möbelhauses, dass man mit mir für teures Steuergeld 39.000 Wahlkabinen des Typs „Valboks“herstellen würde. Was es damit auf sich hatte, erfahren Sie am Ende dieses Textes.
Doch wehe dem, der damals über mich geschimpft hat! Heute wäre das nicht mehr möglich. Um gegen Hasskommentare und Falschmeldungen im Internet vorzugehen, planen nämlich die Konzerne Facebook und Google ein Projekt: Wer etwas kommentieren will, muss einen entsprechenden Führerschein machen. Das soll das Verhalten der Leser kontrollieren. Wer irgendwo eifrig seinen Senf dazugibt, wird um eine Schulung kaum herumkommen. „Unser Plan ist es, dass Nutzer, die mehr als 20 Kommentare im Monat schreiben, die Lizenz erwerben müssen“, sagt ein Facebook-Sprecher. Also können Politikwissenschafter hoffentlich ohne lästige Kritik die bevorstehenden EUWahlen organisieren. Die größte Protestwelle im Netz gab es übrigens, als ein Brief ruchbar wurde, in dem ein Wiener Gemeinderat fordert, dass auf Österreichs Bergen unbedingt neben den Gipfelkreuzen auch Halbmonde aufzustellen wären. Nur so würden alle Religionen ausreichend berücksichtigt. Wenn Sie wissen wollen, wer da alles voller Empörung reagiert hat, müssen Sie ebenfalls bis zum Textende lesen. Apropos Religion: Was die Zusammenarbeit mit Firmen betrifft, so habe ich die damalige Aufregung sowieso nicht verstanden. Schließlich wird sogar die amerikanische Lebensmittelkette Taco Bell mit einem zum Namen passenden Logo – frei übersetzt heißt das Unternehmen „Maisfladenglocke“– die Pummerin im Stephansdom kaufen.
Mit der berühmtesten Glocke Österreichs, eine Art kirchliches und österreichisches Nationalheiligtum, wird man in den USA und Mexiko auf Werbetournee gehen. Warum nicht? Regierungsund Oppositionsparteien haben dem jedenfalls in seltener Einigkeit im Parlament ohne jedweden Widerspruch zugestimmt. Ein viel stärkeres Stück ist ja, dass nicht etwa Firmen, sondern fremde Länder unsere Wahlen zu beeinflussen versuchen. Um das zu veranlassen, genügt ein Anruf beim russischen Außenministerium! Auf dessen offizieller Facebookseite wurde Wladimir Putins neue Ansage für die Anrufbeantworter aller Botschaften weltweit veröffentlicht: „Wollen Sie, dass ein russischer Diplomat Ihren politischen Konkurrenten anruft, drücken Sie 1!“, heißt es da.
Und weiter: „Brauchen Sie die Dienste russischer
Hacker, drücken Sie 2! Zu allgemeinen Fragen der Einmischung in Wahlen drücken Sie 3 und warten Sie auf den Beginn des Wahlkampfs…“Wer will hier noch glauben, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament in EU-ropa entschieden werden? Allerdings verdanken wir es dem Internet, dass wir manche Dinge überhaupt erfahren. In unserem Land gingen beispielsweise kürzlich die Wogen hoch, ob der Karfreitag ein Feiertag bleibt. Ein Blick zu den deutschen Nachbarn zeigt, dass es viel weitreichendere Reformpläne gibt, welche vielleicht genauso hierzulande angedacht werden. Die bundesrepublikanischen Freiheitlichen wollen den Ostersonntag und den Ostermontag „fusionieren“. So kann während der Woche mehr gearbeitet werden, was natürlich volkswirtschaftlich ein Vorteil ist. Was die Gemeinsamkeit all der erzählten Geschichten ist: April, April, April! Weder haben IKEA und ich Wahlkabinen verkauft, noch ist der russische Geheimdienst so naiv, dass man als Telefonbestellung seine Wünsche mitteilen kann, wie eine Wahl zu manipulieren wäre. Keine Angst, die Pummerin bleibt in Wien, und es will auch niemand die Osterfeiertage zusammenlegen.
Doch standen die beschriebenen und nur leicht abgewandelten Aprilscherze am 1. April tatsächlich in den Zeitungen und machten im Internet die Runde. Die eigentliche Pointe war, dass es jeweils viele Menschen gab, die darauf hereinfielen. Was uns also im Zeitalter von Fake News & Co. zu denken geben sollte: Es gibt offenbar politisch nichts, was die Leute nicht glauben. Oder glauben wollen. Egal, wie absurd es ist. Auch keine demokratiefeindliche Verschwörungstheorie ist so dumm und dämlich, dass sich nicht
jemand findet, der davon überzeugt ist. Auf den natürlich plump gefälschten Halbmondbrief des Gemeinderates fiel – und das ist kein Scherz – der ehemalige Parteichef des ebenso ehemaligen BZÖ so sehr herein, dass er ihn im Fernsehen als seine Erkenntnis präsentierte.
Sogar der größtmögliche Unsinn der (Partei-)Politik findet somit leider Anhänger, die ihn als absolute Wahrheit weiterverbreiten. Daher sicherheitshalber nochmals: Dieser Text bezieht sich auf das morgige Datum. Schauen Sie mit einem Schmunzeln in den Kalender.