Psycho-Drama ohne Zündstoff
Wie entgeht man der erdrückenden Umarmung einer Ikone? Man inszeniert „gegen den Strich“und überrascht mit neuen, unerwarteten Bildern. So etwa im Volkstheater bei „Endstation Sehnsucht“von Tennessee Williams. Von Südstaaten-Atmosphäre und Marlon Brando keine Spur, stattdessen schrill surreale Revue.
Man färbt im wahrsten Sinne des Wortes um. In Neon- und Pastellfarben blinkt jetzt die – sonst so schäbige Kleinwohnung Stellas & Stanleys, grell sind die Perücken, in einer Neunzigerjahre-Boygroup-Choreographie finden die Auftritte statt. Willkommen in der Welt der Extravaganz.
Der brutal ungeschminkte, aufwärtsdrängende Arbeiterklassen-Stil Williams’ ist abgeräumt. Statt der miesen Wohnung gibt’s ein Palais im „Rosenkavalier-2.0-Stil“. Eine schöne neue Welt!
Regisseurin Pinar Karabulut schreddert Tennessee Williams: Er habe Bühnenkonvention und Realismus ohnedies bezweifelt, behauptet das Programmheft. Und es geht gegen eine „kapitalistische Zweckoptimierung der Welt“.
Das bedeutet: Das Stück wird aufgebrochen, umgebrochen, mit Anführungszeichen versehen, die Dialogstruktur geknackt. Das ist zumindest einfacher zu inszenieren, als sich einem funktionierenden Theaterdialog zu stellen. Vor allem aber ist es eine Materialschlacht (Bühne: Aleksandra Pavlović) sondergleichen: Wasserfluten und Regengüsse, Feuer, Stuck, Kostümierungen, Film, Tanz, Musik . . . Jetzt fehlt nur noch das Rossballett!
Das wirkt, keine Frage. Es knirscht aber, wenn man dem Text zuhört: Denn die brutale Direktheit Stanleys und das „Adelige“der Blanche DuBois, der Zündstoff des Dramas, sind weggefegt. Dass man so viel Ausstattung braucht, um ein so psychologisches Kammerspiel zu zeigen?
Die Traumwelt der Blanche als Gegensatz zur Realität? Ratatatam, macht die Musik! Spannend ist, dass der Abend dort trägt, wo Firlefanz ausgeblendet und das Schauspielerbekenntnis in den Vordergrund tritt. Was Steffi Krautz zu danken ist, die als Blanche ihre großen Momente hat. In die schrille Inszenierung fügen sich „Stella“Katharina Klar, „Stanley“Jan Thümer, „Steve“Günter Franzmeier, „Mitch“Nils Hohenhövel.