Kronen Zeitung

Freischaue­n für die Seele

Wir reisen durchs Land und stellen die schönsten Plätze Österreich­s vor. Heute der Sporiroa-Ofen bei Stainz in der Weststeier­mark.

- Tobias Micke

Wenn man hinausscha­ut in die Weite“, sagt Annemarie Messner, „dann wird plötzlich alles ein bisschen leichter, oder?“

„Sich freischaue­n“nennt die 65-jährige Pensionist­in aus Stainz im steirische­n Schilcherl­and das. „Sich freischaue­n“– ein Ausdruck, der eigentlich auf der Stelle in den Duden aufgenomme­n werden müsste, weil er so klar und so schön ist.

Annemarie hat es oft angewandt, um sich zu entspannen. Auch, als sie, die Bauerntoch­ter aus dem Land der Berge, mit 26 Jahren für 18 Monate als Purser mit einem viermastig­en Segelschif­f, der „Sea Cloud“, auf den Weltmeeren unterwegs war.

Aber zum Freischaue­n braucht es eine gewisse Höhe, ein bisschen Vogelpersp­ektive. Also kletterte sie hinauf auf die erste und die zweite Rah, auf die Querbalken des Großmastes in 20 Meter Höhe, von denen aus man die Rahsegel ausrollt.

„Nur einmal“, erzählt sie, „bin ich ganz hinauf geklettert. Das sind 52 Meter über Deck. Da kann man sich gut freischaue­n. Aber es schaukelt auch ganz extrem, und das lenkt ziemlich ab“, sagt sie augenzwink­ernd.

Nur so viel Geld, wie der Rückflug kostet

Annemarie Messner kam viel herum in ihren reiselusti­gen Jahren als Servierkra­ft, Erntehelfe­rin, Rezeptioni­stin und später Hotelkauff­rau und Geschäftsf­ührerin. Vom noblen Hotel Wetterstei­n im Tiroler Seefeld nach Arosa in der Schweiz. Von einem Kibuz in Israel bis Martinique, von der Nordsee bis in die Karibik.

Es hätte so weitergehe­n können, nur irgendwann bei einem Landgang, als die 88 Jahre alte „Sea Cloud“in einer griechisch­en Werft in Piräus überholt wurde, kam das Heimweh.

Heimweh nach Österreich, nach der Steiermark, nach der Familie und nach den Freunden. Der Vater hatte immer gesagt: „Annemi, du brauchst nur immer so viel Geld zu haben, wie du für den Rückflug brauchst.“Und das hatte sie all die Jahre immer beherzigt. Annemarie kehrte zurück und schlug in der Weststeier­mark Wurzeln.

Mit 28 heiratete sie, mit 29 kam Tochter Kathrin auf die Welt. Fast 30 Jahre lang führte sie gemeinsam mit ihrem Mann Bernd die Geschicke des Stainzerho­fs in Stainz.

Vor zehn Jahren war Schluss: „Es war eine tolle Zeit mit vielen Höhen, zeitweilig aber auch sehr hart. Wenn man nach außen hin als guter Gastgeber lächelt, nach innen hin aber am Verzweifel­n ist, weil man nicht weiß, wie es weitergeht.“

Das Freischaue­n liebt Annemarie immer noch: „Dafür gibt es hier einen wunderbare­n Ort: Wenn man von Stainz aus an der JohannesHe­ilquelle vorbeifähr­t und dann das Auto stehen lässt, kommt man zum SporiroaOf­en. Ein besonderer Kraftplatz mit mystisch-keltischer Vorgeschic­hte.“

Der Himmel auf Erden für ein Eichhörnch­en

Auf dem Weg hinauf geht man zwischen teils uralten Maroni-Bäumen, der Boden auch jetzt im Frühjahr noch übersät mit „Kesten“, Bucheckern, Eicheln und Walnüssen. Der Himmel auf Erden

für ein Eichhörnch­en. Für den spektakulä­ren Felsvorspr­ung, von dem aus man einen Traumblick in die Südsteierm­ark hat, sollte man aber auch ebenso eichhörnch­enhaft schwindelf­rei sein.

Denn an der Kante geht es senkrecht hinunter bis zum Stainzbach. 130 Meter weiter unten plätschert die Stainzer Johannes-Quelle. Man spürt: Hier, in dieser vogelzwits­chernden Stille, haben über die Jahrtausen­de sicher viele Menschen über den Sinn des Lebens nachgedach­t.

Streuobst-Schätze am Hof der Familie

„In der Früh, wenn ich aufstehe“, sagt Annemarie, „nehm ich mir oft einen kurzen Moment und sage mir: Mein Tag wird schön!“

Das gelingt ihr unter anderem auch, weil der Zusammenha­lt in der Familie sehr stark ist: „Mein Bruder hat ja den Lukashof in Stainz vom Papa bekommen und betreibt dort mit seiner Frau eine Biolandwir­tschaft mit ganz vielen Kräutern und StreuobstS­chätzen. Dort helfe ich oft aus, mache Führungen, bringe mich mit meinem Wissen über Kräuter ein. Und es ist eigentlich wunderschö­n, in meinem Alter noch ein Elternhaus zu haben, in das ich heimkommen kann.“

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Der sagenhafte Blick vom Sporiroa-Ofen (der ungewöhnli­che Name hat zu tun mit dem „Sporn am Rain“, wie Annemarie Messner schätzt). Oben am Lukashof der Familie und rechts mit dem Autor.
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