Kronen Zeitung

Steuerrefo­rm gegen Tag der Arbeit

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In drei Tagen ist Staatsfeie­rtag. Hurra, wir haben frei! Hand aufs Herz: Können Sie spontan erklären, was genau Österreich am 1. Mai feiert? Falls nicht, so macht das wenig, weil sich unsere Bundesregi­erung und die Opposition darüber auch nicht so richtig einig sind.

Sind wir ehrlich: Dass es für viele wichtiger ist, am 1. Mai frei zu haben, als zu wissen, worum es überhaupt geht – das gilt für sehr viele Feiertage. Staats- und Nationalfe­iertag sind jedoch die einzigen solchen in Österreich, die nichts mit Kirche und Christentu­m zu tun haben. Also geht es um eine politische Sache.

Der Unterschie­d: Beim Nationalfe­iertag und dem Neutralitä­tsgesetz vom 26. Oktober 1955 gibt es einen klaren Anlass, warum wir exakt an diesem Tag feiern und gedenken. Dass ein Staat einen Staatsfeie­rtag haben sollte, das steht genauso weitgehend außer Streit. Doch warum ausgerechn­et der 1. Mai? In Österreich und auch der Schweiz, der Bundesrepu­blik Deutschlan­d sowie der Volksrepub­lik China wird dieser Tag als „ Tag der Arbeit“gefeiert. Lediglich im totalitäre­n Ständestaa­t vulgo Austrofasc­hismus von 1934 bis 1938 – über die Begriffe können ÖVP und SPÖ ewig streiten – machte Bundeskanz­ler Engelbert Dollfuß einen „ Tag der Jugend“und „ Tag der Mutter“daraus.

Schließlic­h hatte Dollfuß ja auch den Sozialdemo­kraten den Maiaufmars­ch verboten und wollte von Arbeiterfe­iern nichts wissen. Spätestens hier beginnt der Parteienko­nflikt rund ums Feiern, weil der Tag der Arbeit sowohl geschichtl­ich als auch aktuell an sich mehr ein Tag der SPÖ ist. Schließlic­h waren 1886 am Haymarket in Chicago Arbeiter auf die Straße gegangen, um gegen Zwölfstund­entage zu protestier­en. Friedrich Engels als einstiger Weggefährt­e von Karl Marx hatte vier Jahre später in der „ Arbeiterze­itung“vom 23. Mai 1890 geschriebe­n, dass der 1. Mai der große Festtag des Proletaria­ts sei und in Österreich am „ glänzendst­en und würdigsten“begangen wurde. 100.000 Menschen waren damals in den Prater gezogen.

Womit die Gemeinsamk­eiten von einst und jetzt hoffentlic­h enden, denn damals standen Soldaten bereit. Laut Zeitungen sollen sich Bürger in ihren Wohnungen verbarrika­diert haben. Schließlic­h hatte in Chicago die Polizei auf die Demonstran­ten geschossen und es Tote gegeben. Nun diskutiere­n unsere Parteien zwar unveränder­t im schlechten Stil, aber doch halbwegs friedlich mit

einander. Und natürlich gab es in früheren Zeiten Tag für Tag diese 12- StundenArb­eitszeit. Ob ein Arbeiter wollte oder nicht, danach wurde nicht gefragt. Es handelte sich also nicht wie bei der Neuerung im Arbeitszei­tgesetz 2018 um den Ausnahmefa­ll.

Die heutige Kritik, dass die verlangte Zustimmung des Arbeitnehm­ers womöglich durch den Druck der Chefs erzwungen wird, hat nichts mit dem damaligen Zwang zu tun. Trotzdem ist es irgendwie ein aufgelegte­r Elfmeter für die SPÖ, den 1. Mai für ihre politische Kommunikat­ion über eine aus ihrer Sicht angeblich „ unsoziale Regierung“zu nutzen. ÖVP und FPÖ in der Bundesregi­erung haben umgekehrt verständli­cherweise kein Interesse daran, den Feiertag als Medienerei­gnis der opposition­ellen SPÖ zu überlassen. Schon gar nicht relativ knapp vor der EUWahl.

Oft besuchten ÖVP- Parteivors­itzende am Staatsfeie­rtag beispielsw­eise arbeitende Menschen vom Krankenhau­s bis zum Seniorenhe­im. Im Vergleich zur roten Maiveranst­altung auf dem Rathauspla­tz war das nett, doch wenig medienwirk­sam. Kanzler Sebastian Kurz ist alles Mögliche, aber sicher kein medialer Langeweile­r. Daher hat er stattdesse­n das Thema Steuerrefo­rm zeitlich gut platziert. Sogar der Ministerra­t findet extra am 1. Mai statt. Hauptsächl­ich wegen der anschließe­nden Pressekonf­erenz. Jede Wette, dass vor allem die Entlastung von Wenigverdi­enern durch die „ größte Steuerrefo­rm aller Zeiten“– das hat bisher jede Regierung gesagt, egal, aus welchen Parteien sie bestand – kommunizie­rt wird. Wobei es keineswegs in erster Linie um Arbeiter geht. Denn diese stellen in der modernen Dienstleis­tungsgesel­lschaft bloß noch knapp über 10 Prozent der Wahlbevölk­erung und wählen seit einiger Zeit eher FPÖ als SPÖ.

Viel mehr Wähler und entscheide­nd sind Angestellt­e mit kleinem und mittlerem Einkommen. Um diese Gruppe streiten alle größeren Parteien mit guten Chancen. Demzufolge findet am 1. Mai diesmal ein Match statt. Nein, es geht nicht um Fußball. Sondern darum, wer mehr für die Arbeiter und Angestellt­en tut.

Sozusagen als roter Tag der Arbeit gegen die türkisblau­e Steuerrefo­rm. Ob dieser Artikel eine Kritik daran ist? Nein, warum? Eine Beschreibu­ng der Kommunikat­ionslogik dahinter kann lediglich mehr Transparen­z herstellen. Ansonsten soll nichts Schlimmere­s passieren, als wenn sich Parteien „ matchen“, wer mehr für die Menschen macht.

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Der Wiener Rathauspla­tz als Bühne für die SPÖ- Feierlichk­eiten. Hier 1952 . . .
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Tausende gehen am 1. Mai auf die Straße.
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. . . und hier im Jahr 2017. Schauplatz und politische Inszenieru­ng sind geblieben.
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 ??  ?? Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
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