„Sprechen Sie Wienerisch?“
Guten Tag’, begrüßte mich unlängst ein deutscher Tourist in meinem kleinen Geschäft im 4. Bezirk in Wien.
Höflich wia i bin, hab i natürlich den Herrn begrüßt, ihn gefragt, ob er etwas Bestimmtes sucht – ich verkaufe Schreibwaren – und hab ihm meine neuesten Füllfedern gezeigt. Er wollte eine seinem Patenkind schenken.
Er hatte aber ganz spezielle Wünsche, und i hab geantwortet: ,Eigentlich hab i die normalerweise lagernd, nur zurzeit eben net. Wolln S, dass i es nachbestell, weil eigentlich is in zwa Werktagen scho da. Wie lang bleibn S denn eigentlich? So schnell werdn S doch net unser schönes Wien wieder verlassn, eh net, oder?’
Der Herr lachte und sagte: ,Böse Zungen behaupten gerne, dass die Wiener sich nicht festlegen lassen und sich daher um klare Aussagen mög
lichst drücken. Mit den Wörtchen eh, eher und eigentlich kann man diese Ungenauigkeiten sehr schön ausdrücken.’
,Was wolln S ma damit sagn? San S a Sprachforscher?’, erwiderte ich etwas perplex.
,Ja, so ist es. Sagt in Wien jemand eigentlich hab i eh kumman wolln, bedeutet
dies soviel wie: Ursprünglich hatte ich die besten Absichten zu kommen, aber leider kam mir etwas dazwischen. Was das war, wird natürlich nicht genauer definiert. Heißt es, aber eigentlich wüll i nix mehr trinkn, bezeugt auch das nur die gute Absicht, nichts mehr zu trinken, was aber nicht ausschließt, dass man es doch tut, wenn man etwa nett überredet wird.’
,Werter Herr, i hab aa eigentlich was anders ztuan. Wie kann i Ihnen jetzt behilflich sein? A sprachliches Forschungsobjekt bin i nur ungern. Soll i den Füller jetzt bestelln oder eh net?’“
Es kam zu einem Streitgespräch zwischen dem Norddeutschen und dem eingefleischten Wiener, der sich lieber auf sein Geschäft als auf Belehrungen konzentrieren wollte. Dabei hat der Kunde so fest auf den Glasverkaufstisch mit der Faust gehauen, sodass das Glas dabei brach. Zum Glück blieb er unverletzt.
„I sitz jetzt vor an Scherbenhaufen!“, erklärte der Verkäufer. Er bekommt die Glasplatte vom Kunden ersetzt.