Reisen im Kopf
„Was passiert mit Venedig, wenn eines der Schiffe die Kaimauer rammt?“Dieser Gedanke plagte die Schriftstellerin Donna Leon bereits vor Jahren, als sie gegen die Riesen mit einer Verbeugung vor den Kleinen anging – und den Gondoliere eine Liebeserklärung in Form eines Büchleins machte. Gegen die poetische Ruhe der Gondeln waren die Kreuzfahrt-Burgen für sie immer schon Höllenschiffe. Jahrelang kämpfte die Wahl-Venezianerin wie so viele Einheimische gegen sie an. Nun ist genau das eingetreten, was sie fürchtete – und es ist nur einer unfassbar großen Portion Glück zu verdanken, dass bei der Karambolage der „MSC Opera“nicht mehr passiert ist.
Die Kreuzfahrtschiffe, die sich wie Hochhäuser vor den Fassaden der Stadt auftürmen, spucken Tausende Touristen aus und saugen sie nach ein paar Stunden wieder auf. Sie sind laut, sie stinken, sie bringen das sensible Ökosystem der Lagune aus dem Gleichgewicht, und der starke Wellenschlag bedroht die fragile Architektur.
Venedig lebt vom Tourismus – und wird doch von ihm erdrückt, das ist das Dilemma. Zumindest die Kreuzfahrtriesen könnte man der Serenissima, der Durchlauchtigsten, endlich ersparen.
Oder man hält sich an Donna Leon, die selbst vor den Touristenmassen mittlerweile in die Schweiz geflüchtet ist: „Sagen Sie doch einfach, Sie waren dort. Egal, ob es stimmt oder nicht. Das schont Städte wie Venedig.“Reisen im Kopf also – da kann man die Serenissima dann auch ganz für sich alleine haben.