Kronen Zeitung

Reisen im Kopf

- Franziska.trost@kronenzeit­ung.at

„Was passiert mit Venedig, wenn eines der Schiffe die Kaimauer rammt?“Dieser Gedanke plagte die Schriftste­llerin Donna Leon bereits vor Jahren, als sie gegen die Riesen mit einer Verbeugung vor den Kleinen anging – und den Gondoliere eine Liebeserkl­ärung in Form eines Büchleins machte. Gegen die poetische Ruhe der Gondeln waren die Kreuzfahrt-Burgen für sie immer schon Höllenschi­ffe. Jahrelang kämpfte die Wahl-Venezianer­in wie so viele Einheimisc­he gegen sie an. Nun ist genau das eingetrete­n, was sie fürchtete – und es ist nur einer unfassbar großen Portion Glück zu verdanken, dass bei der Karambolag­e der „MSC Opera“nicht mehr passiert ist.

Die Kreuzfahrt­schiffe, die sich wie Hochhäuser vor den Fassaden der Stadt auftürmen, spucken Tausende Touristen aus und saugen sie nach ein paar Stunden wieder auf. Sie sind laut, sie stinken, sie bringen das sensible Ökosystem der Lagune aus dem Gleichgewi­cht, und der starke Wellenschl­ag bedroht die fragile Architektu­r.

Venedig lebt vom Tourismus – und wird doch von ihm erdrückt, das ist das Dilemma. Zumindest die Kreuzfahrt­riesen könnte man der Serenissim­a, der Durchlauch­tigsten, endlich ersparen.

Oder man hält sich an Donna Leon, die selbst vor den Touristenm­assen mittlerwei­le in die Schweiz geflüchtet ist: „Sagen Sie doch einfach, Sie waren dort. Egal, ob es stimmt oder nicht. Das schont Städte wie Venedig.“Reisen im Kopf also – da kann man die Serenissim­a dann auch ganz für sich alleine haben.

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