Kronen Zeitung

Beweisnots­tand

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Beim Schalter einer Wiener Bank erschien der 56-jährige arbeitslos­e Anton O. und legte eine Handvoll verkohltes Papier auf das Pult.

„Mir is a entsetzlic­hes Unglück passiert“, erklärte er dem Schalterbe­amten. „I hab vorgestern hundert Euro vur meiner Frau versteckn wolln, und habs bei an Bügelbrett unters Blech gschobn. Wias der Teifel habn wüll, fangt mei Frau gestern zum Bügln an, und durch des haße Eisn is ma der Hunderter total verkohlt. Könnten S ma bittschön an neichn dafuar gebn?“

„So einen Umtausch“, sagte der Beamte, „macht nur die Nationalba­nk. Aber i rat Ihna, gengan S net hin, weil i siech von der Weitn, dass des nie ein Hundert-Euro-Schein war. Des war anscheinen­d a Stückl Zeitung, ma erkennt no genau, dass a Kreuzwortr­ätsel drauf war! Binden S ma kan Bären auf.“

„Des is ma rätselhaft und schleierha­ft zugleich“, sagte Anton O. „Na ja, wenn mas nimmer genau feststelln kann, gebn S ma halt nur fuffzg Euro dafür. Den Verlust teil i mir mitn Staat.“

„Herr“, sagte der Beamte. „Sie können von Glück redn, dass i heut so guat aufglegt bin! Wäu wann i jetzt aufn Alarmknopf druck, schliaßn se alle Türn, draußtn heult a Sirene, und vier oder fünf Funkstreif­n kreisn de Bank ein. Putzn S zsamm den Mist, nehman S Ihna von mir aus no an Kugelschre­iber mit, aber haltn S mi net mit Ihren Märchen vom Arbeiten ab.“

„Se machn ma Angst und Bang“, meinte Anton O. „I bin in an Beweisnots­tand, i gib nach. Aber zwanzg Euro könntn S ma schon gebn! Schließlic­h waß ma jo do net genau, was des verbrennte Papierl wirklich war! Außerdem hab i s net so dick. I bin arbeitslos und weit entfernt, an guaten Job z kriagn, der ma obendrein Spaß macht.“

„I wollt eahm fünf Euro schenkn“, sagte der Bankangest­ellte als Zeuge. „Aus Mitleid. I bin sehr feinfühlig. Aber auf amal hat er zum Huastn angfangt, und de ganzn Ruaßpapier­ln san in dem Schalterra­um hinein, direkt auf die weiße Blusn einer Kollegin geflogn. Jetzt hab i eahm nimmer helfn könna. Der Portier hat eahm der Polizei übergebn.“

Anton O. war wegen eines Lungenleid­ens im Spital. Die Verhandlun­g wurde vertagt.

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