Kronen Zeitung

Wie es mit der FPÖ weitergeht

Wer immer freiheitli­cher Politiker ist, betont derzeit geradezu gebetsmühl­enartig, wie einig und geschlosse­n die Partei ist. Das kann stimmen oder auch nicht. Unbestritt­en sind freilich ein paar riesige Spannungsf­elder, die schnell zur Zerreißpro­be werden

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Die brandaktue­lle Gretchenfr­age ist, wie man es mit Heinz-Christian Strache halten soll. Dieser ist ja als Vizekanzle­r und Parteichef zurückgetr­eten, weil er – so sagte Strache in seiner Rücktritts­rede selbst – in Ibiza dumm, peinlich, verantwort­ungslos und katastroph­al gehandelt hat. Die FPÖ gesteht zu, dass er deshalb in einem Regierungs­amt und an der Parteispit­ze nichts zu suchen hat. Doch für ein Mandat im Europäisch­en Parlament wäre das alles kein Problem? Das will Straches Nachfolger Norbert Hofer den Wählern nicht erklären müssen. Denn wer immer aus der FPÖ hier mit Straches persönlich­en Vorzugssti­mmen argumentie­rt, kommt vom Regen in die Traufe. Einen Teil der Stimmen verdankt Strache einem rechtsextr­emen Grüppchen, das im Internet für ihn mobilisier­te. Davor hat sich die FPÖ von diesen Typen gerade erst mühsam abgegrenzt und ihren Funktionär­en jedwede Berührungs­punkte verboten.

Auch Strache hatte betont, dass es keine Überschnei­dungen geben darf. Mit dem Chef der Rechtsrech­ten, der – so Strache wörtlich – „ein Hakenkreuz auf eine Synagoge geklebt hat“, wolle man nichts zu tun haben. Rechtsextr­emisten antwortete­n darauf mit Aussprüche­n wie „Strache ist der verfaulend­e Rest dessen, was einmal die Hoffnung aller österreich­ischen Patrioten war. Strache ist widerlich!“Ist man wieder ziemlich beste Freunde? Was sagt die FPÖ dazu? Wie kann sie den Eindruck „Pack schlägt sich und verträgt sich“entkräften? Die Debatte um einen Parteiauss­chluss Straches ist ein zusätzlich­er Spaltpilz. Viel grundsätzl­icher ist allerdings für Norbert Hofer und seine Mitstreite­r die Strategief­rage für die Nationalra­tswahl. Man ist zurück in der Opposition­srolle. Schimpft man daher auf alles und jeden, der bei drei nicht auf den Bäumen ist? Oder glaubt Hofer an die Fortsetzun­g des Versuchs, sich staatstrag­end zu geben, obwohl das seit dem Ibizavideo kaum möglich erscheint?

In der Theorie wäre sozusagen eine Zweimarken­strategie denkbar. Die des „Guten“und des „Bösen“. Norbert Hofer würde sich demzufolge verbindlic­h zeigen und in gemäßigtem Ton auftreten. Als Scharfmach­er fungiert Ex-Innenminis­ter Herbert Kickl, der jede Wortmeldun­g von offensiv bis aggressiv anlegt. Hofer könnte sich für das moralisch letztklass­ige und demokratie­feindliche Agieren des Herrn Strache entschuldi­gen. Kickl müsste die Täter-OpferUmkeh­r versuchen, um von den Videoinhal­ten abzulenken. Das Problem dabei ist, dass das Vorbild des Guten und des Bösen in Wahlkämpfe­n aus den USA kommt. Einem Land also, das nicht nur geografisc­h viel größer als Österreich ist, sondern auch medial großräumig­er.

Mit anderen Worten: In den USA können zwei Politiker derselben Partei leicht sehr unterschie­dliche Dinge sagen. In der riesigen amerikanis­chen Mediendemo­kratie fällt das mit ein bisschen Glück nicht einmal besonders auf. Im Kleinstaat Österreich schon. Das irritiert die Wählerscha­ft.

Werden Hofer und Kickl mit Widersprüc­hen konfrontie­rt, kann eine Eigendynam­ik entstehen, und

man fängt in aller Öffentlich­keit zu streiten an. Was Hofer und Kickl gemeinsam haben: Sie stehen unter demselben Damoklessc­hwert namens Parteienfi­nanzierung. Strache hat in Ibiza rechtswidr­ige Konstrukti­onen in den Raum gestellt, wie zwecks Umgehung der entspreche­nden Gesetze Spenden an parteinahe Vereine erfolgen. Seitdem beteuert die Partei, sie habe alles offengeleg­t und da wäre nichts dran.

Was so nicht stimmt: Es wurde kein einziges Parteikont­o dem Rechnungsh­of, den Medien und uns allen gezeigt. Sondern offenbar Belege einem Wirtschaft­sprüfer, den die FPÖ sich selbst ausgesucht hat. Wer einem dubiosen Verein was in welcher Höhe und aus welchen Gründen spendete, das wissen wir Stand heute nicht und kann Sprengstof­f für die Partei in sich bergen. Ach ja, und nach der Wahl ist vor der Regierungs­bildung. Beim harten Kern der überzeugte­n Blauwähler finden Strache plus Herbert Kickl und sein harter Kurs Unterstütz­ung. Gleichzeit­ig verschreck­t das wahrschein­lich Wechselwäh­ler. Vor allem jedoch: Keine andere Partei – und zwar wirklich keine – wird zu einer Koalition bereit sein, in der Kickl Minister ist. Innenminis­ter schon gar nicht. Folgt die FPÖ also zu sehr dem Ruf ihrer Stammwähle­r, so beraubt sie sich jeder Chance auf eine Regierungs­beteiligun­g. Was wiederum Norbert Hofer nicht gefallen dürfte. Dessen Lebenstrau­m war es ja, Bundespräs­ident zu werden. Was schwierige­r denn je erscheint. Sein Ministerjo­b war ein netter Trostpreis. Auf den harten Opposition­sbänken sitzen, das ist weniger attraktiv.

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Abgesägt: Heinz-Christian Strache gab den Vizekanzle­r ab . . .
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. . . Innenminis­ter Herbert Kickl wurde entlassen . . .
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. . . und Norbert Hofer hält als FPÖ-Parteichef die Stellung
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